Die Meinungsfreiheit und der Kultursenator: Klaus Lederer verhindert Preisverleihung an Ken Jebsen
16.11.2017 • 15:29 Uhr
Quelle: www.globallookpress.com
Weltoffen ja, aber nur nach seinem Gutdünken: Berlins Kultursenator Klaus Lederer.
Der Berliner Kultursenator der Linken interveniert gegen eine Preisverleihung im Berliner Kino Babylon. Dort sollte am 14. Dezember Ken Jebsen den sogenannten „Karlspreis für Engagierte Literatur und Publizistik“ der „Neuen Rheinischen Zeitung Online“ in Empfang nehmen. Ob der Publizist den Preis je erhalten wird, ist jedoch fraglich.
Für manche ist er der „Bad Boy“ des Deutschen Journalismus, für andere ein notwendiges, unbequemes Korrektiv – die Rede ist von Ken Jebsen. Der Journalist war bis 2011 als Fernseh- und Radiomoderator tätig, zuletzt beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Seinen Niedergang bei den Öffentlich-Rechtlichen leitete eine von Henyrk M. Broder öffentlich gemachte Mail von Jebsen ein. Die dort getätigten Aussagen brachten ihm den Vorwurf des Antisemitismus ein. Der rbb verteidigte Jebsen zunächst, entließ ihn jedoch kurz darauf wegen Verstößen gegen journalistische Standards, ohne diese Standards je genauer zu erläutern.
Seitdem ist Jebsen hauptsächlich auf seinem Online-Portal KenFM tätig. Die Vorwürfe gegen ihn haben nach seinem Wechsel eher zu- als abgenommen. Von Antisemit über Verschwörungstheoretiker bis hin zu Querfrontler ist so ziemlich alles dabei, was das zeitgenössische Diffamierungs-Potpourri zu bieten hat. Nun sollte Jebsen während einer Veranstaltung im Berliner Kino Babylon der sogenannte „Karlspreis für Engagierte Literatur und Publizistik“ der „Neuen Rheinischen Zeitung Online“ verliehen werden.
Die „Neuen Rheinischen Zeitung Online“ (NRhZ-Online) ist eine im August 2005 gegründete, wöchentlich erscheinende, links-politische Online-Zeitung aus Köln. Die Zeitung möchte, auch schon durch die Namenswahl, an die von 1848 bis 1849 durch Karl Marx in Köln redigierte kommunistisch-sozialistische Neue Rheinische Zeitung anknüpfen. Die Online-Zeitung verleiht seit 2008 den nach Karl Marx benannten Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik. Preisträger waren unter anderem der Publizist Werner Rügemer (2008), der Schriftsteller Wolfgang Bittner (2010), der Publizist und Bürgerrechtsaktivist Rolf Gössner (2012) und die Publizistin Evelyn Hecht-Galinski in 2014.
Dieses Jahr fiel die Wahl auf den unbequemen Journalisten Ken Jebsen. Doch die Preisverleihung wurde kurzerhand abgesagt. Was war passiert? Berlins Kultursenator Klaus Lederer hatte zu der seit Oktober angekündigten Veranstaltung am Montag auf Facebook geschrieben:
Ich bin entsetzt, dass ein Kulturort in Berlin diesem Jahrmarkt der Verschwörungsgläubigen und Aluhüte eine Bühne bietet. Vom Geschäftsführer des Kinos Babylon würde ich mir angesichts dessen die Courage wünschen, zu sagen: Als Plattform für diesen Wahnsinn stehen wir nicht zur Verfügung.
Doch offenbar blieb es nicht nur beim Facebook-Eintrag. Laut der "taz" intervenierte die Kultursenatsverwaltung auch direkt bei dem vom Senat geförderten Babylon-Kino. Kein Geringerer als Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert soll beim Babylon-Geschäftsführer Timothy Grossman telefonisch durchgeklingelt haben. Während des Telefonats soll Wöhlert seine „deutliche Irritation“ über die Veranstaltung zum Ausdruck gebracht haben. Mit Erfolg: kurz darauf sagte Grossman die Veranstaltung ab.
Für zusätzlichen Unmut sorgte offenbar auch der geplante Auftritt der Band „Die Bandbreite“. In seinem Facebook-Post schrieb Lederer, die Band wirke „mit ihren vor Rechtsesoterik triefenden Texten bis tief in rechtsradikale Milieus“ und könne sich des „Beifalls von NPD bis Jürgen Elsässer versichern“. Der Band wird auch immer wieder Antisemitismus unterstellt. Ein Vorwurf, gegen den sich die Band erfolgreich vor Gericht gewehrt hat.
Marcel Wojnarowicz , das zweite Bandmitglied neben Torben Eckhoff , erhob in 2009 erfolgreich eine Unterlassungsklage gegen die „taz“. Die Berliner Regionalausgabe der Zeitung hatte der Band vorgeworfen, sie sei für ihre antisemitischen Texte bekannt. Die „taz“ legte daraufhin beim Kammergericht Berlin Berufung gegen das Urteil der Pressekammer des Landgerichts Berlin ein und verlor erneut.
Nun kann man über Ken Jebsen und die Band „Die Bandbreite“ denken, was man will. Das jedoch eine eindeutig politisch motivierte staatliche Intervention gegen eine juristisch nicht anfechtbare Veranstaltung erfolgt – noch dazu in einem von öffentlicher Förderung abhängigen Kulturbetrieb – ist alarmierend. Das sieht unter anderem auch Albrecht Müller von den „Nachdenkseiten“ so. Müller schreibt:
Und wie damals die Otto-Brenner-Stiftung, also eine eher fortschrittliche Einrichtung, eingesetzt wurde, um die NachDenkSeiten, Daniele Ganser und Ken Jebsen zu diffamieren und mundtot zu machen, so geschieht es heute mithilfe eines Berliner Senators, der der Linkspartei angehört, und mithilfe eines Blattes, der taz, von der immer noch gutmeinende Menschen glauben, sie sei ein fortschrittliches kritisches Blatt.
Mehr zum Thema: Die "Querfront-Verschwörung" - Wie die Otto-Brenner-Stiftung sich um ihre Glaubwürdigkeit bringt
Pikantes Detail zu der abgesagten Preisverleihung in Berlin: Die Laudatio auf den Preisträger sollte ausgerechnet Mathias Bröckers halten - ein Autor, der auch für die "taz" schreibt. Im kommenden Jahr soll das Babylon-Kino übrigens über 400.000 Euro bekommen, wie eine Twitter-Anfrage von Tagesspiegel-Redakteur Johannes Bockenheimer ergeben hat.
Es könnte übrigens sein, dass der Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert noch einmal zum Telefon greifen muss. Denn vor der geplanten Preisverleihung an Ken Jebsen am 14. Dezember steht noch ein weiterer „dubioser“ Termin im Babylon an: Der Schweizer Historiker und Publizist Dr. Daniele Ganser hält einen Vortrag zum Thema „WTC7: Feuer oder Sprengung.“
Die „Neuen Rheinischen Zeitung Online“ scheint indessen weiter davon auszugehen, dass die Preisverleihung an Jebsen stattfindet. Auf ihrer Homepage schreibt die Zeitung am Mittwoch:
Auch wenn es in manchen Medien anders dargestellt wird: wir gehen davon aus, dass die Verleihung des Kölner Karlspreises für Engagierte Literatur und Publizistik der Neuen Rheinischen Zeitung an Ken Jebsen trotz der Versuche, sie zu verhindern, wie geplant am 14. Dezember 2017 im Babylon in Berlin stattfindet – sorgen wir alle dafür, dass das so kommt und die Feinde der Demokratie nicht die Oberhand gewinnen!
In einem Interview mit BBC in 1992 umschrieb der US-amerikanische Professor für Linguistik, Noam Chomsky, sehr treffend eine der wichtigsten Spielregeln der Demokratie:
Wir glauben nicht an die Meinungsfreiheit, wenn wir sie nicht auch den Leuten zugestehen, die wir verachten.
Diese Spielregel hat sich offenbar noch nicht bis zum Kultursenat der „Weltstadt“ Berlin herumgesprochen.
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