Tuesday, May 23, 2017

Die Verdrängung westlicher Hegemonie von Stefan Haderer


Mit Spannung wird der heurige Nato-Gipfel am 25. Mai 2017 erwartet, an dem auch US-Präsident Donald Trump teilnehmen soll.

Viele erkennen darin eine Weichenstellung für die außenpolitische Zukunft des transatlantischen Bündnisses und der EU. Letztere hat ihre Vormachtstellung als regionale Friedensmacht durch militärische Abenteuer in Nordafrika, im Nahen Osten und an der Grenze zu Russland schon längst aufgegeben. Auf welche neuen Interventionen werden Brüsseler Regierungskreise diesmal eingeschworen? Oder besser gefragt: Mit welchen Mitteln wird der Westen versuchen, seine Hegemonie in der Welt um jeden Preis zu behaupten, selbst wenn die Zeichen der Zeit auf eine Trendwende hindeuten?
In einem überschwänglichen Optimismus, der für die 1980er typisch war, prognostizierte der US-Politologe Francis Fukuyama seinerzeit das "Ende der Geschichte". Ganz im Sinn von Friedrich Hegel und Karl Marx sah er die Entwicklung der Gesellschaft nicht zyklisch, sondern linear mit einem demokratischen Liberalismus auf ökonomischer und politischer Ebene an der Spitze. Anders ausgedrückt: Früher oder später, so Fukuyama, würden die Ideale des "American Dream" überall verwirklicht und damit freie, demokratische und wirtschaftsliberale Gesellschaften entstehen. Diese Prognose mag in jener Zeit, als der Kalte Krieg zu Ende ging und selbst China einen kapitalistischen Weg einzuschlagen begann, einleuchtend erschienen sein.
Heute belehren uns aktuelle Entwicklungen eines Besseren: Der Kalte Krieg ist in Anbetracht der Konflikte mit Russland und Nordkorea wieder aufgeflammt. Die westlichen Werte von Gleichheit und Freiheit werden in vielen Staaten längst nicht mehr als Ideale betrachtet, wenn man etwa an die Rufe nach der Einführung der Todesstrafe und die Beschneidung von Grundrechten in der Türkei denkt. Auch die parlamentarische Demokratie im Westen verliert spürbar an Vertrauen in der Bevölkerung. Erkennbare Symptome sind einerseits das Erstarken populistischer Kräfte und die fast EU-weite Krise sozialdemokratischer Parteien. Andererseits formieren sich Gegenbewegungen — sei es nun die "Neue Volkspartei" von Sebastian Kurz in Österreich oder "En Marche" von Emmanuel Macron in Frankreich.
Außenpolitisch ist zu befürchten, dass das Pentagon alles Erdenkliche versuchen wird, um die Vormachtstellung der USA in der Welt zu verteidigen. Eine solche Weltordnung stößt jedoch zunehmend an ihre Grenzen. Sehr gut erkennt man dies am Beispiel der Schutzzonen in Syrien, an deren Schaffung nicht die USA, sondern Russland, der Iran und die Türkei maßgeblich beteiligt sind.
Für Europa gibt es letztlich sinnvollere Möglichkeiten, als durch militärische Interventionen Staaten zu destabilisieren. Die EU könnte sich etwa am Projekt einer neuen Seidenstraße zwischen China und Russland beteiligen und somit wieder mehr Global Player als Waffenbruder werden. Dass sich nämlich Demokratie und Freiheit nicht mit Gewalt erzwingen lassen, müsste man spätestens seit dem gescheiterten "Arabischen Frühling" begriffen haben.

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