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Giftgas-Katastrophe im syrischen Idlib:
10.04.2017 • 15:00 Uhr
Quelle: Sputnik
Der Westen wirft Assad erneut vor, die eigene Bevölkerung mit Giftgas angegriffen zu haben. Beweise dafür gibt es jedoch nicht. Russland ruft alle dazu auf, erst Ermittlungen in dieser Sache durchzuführen und dann Schlüsse zu ziehen.
Was genau vorgefallen ist, bleibt weiterhin unklar. Doch für den Westen steht fest: Der syrische Präsident Assad habe die Menschen in Chan Schaichun mithilfe seiner Luftwaffe mit Giftgas beschießen lassen. Experten, die den Ablauf des Konfliktes in Syrien seit Jahren mitverfolgen und analysieren, fragen sich jedoch, woher Baschar al-Assad die chemischen Kampfstoffe überhaupt hat.
Im Jahr 2014 wurden nahezu alle syrischen Chemiewaffen außer Landes gebracht oder vernichtet, dafür trug die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) die Verantwortung und legte darüber Rechenschaft ab. Einzig Chlor durfte Syrien zur zivilen Nutzung behalten.
Somit fehlt allen Beschuldigungen über die Anwendung solcher Waffen vonseiten der Regierung die Grundlage. Ähnlich drückte sich auch der ständige Vertreter Syriens bei der UNO in einer Sitzung des Sicherheitsrates zur Lage in Idlib aus.
Außerdem ist die politische sowie die militärische Notwendigkeit eines derartigen Angriffs vonseiten der syrischen Armee vollkommen fraglich, wenn diese überhaupt über derartige Waffen verfügt hätte.
"Unter politischen Gesichtspunkten würde Assad so etwas nie machen, denn in der Situation, in der er sich befindet, wäre die Anwendung von Chemiewaffen ein politischer Selbstmord. Militärisch gesehen ist das auch unmöglich, da alle Chemiewaffen Syriens liquidiert wurden", sagte in einem RT-Interview Andrei Koschkin, Leiter des Lehrstuhls für Politikwissenschaft und Soziologie an der Russischen Plechanow-Wirtschaftsuniversität und Experte des Verbandes der Militärpolitologen.
Die internationale Lage entwickelte sich in den letzten Wochen zugunsten der Führung in Damaskus. Das macht die Behauptung, Assad habe derartige Munition eingesetzt, noch unglaubwürdiger. Das Weiße Haus teilte durch seinen Pressesprecher mit, dass für die USA der "Kampf gegen den IS in Syrien die Hauptpriorität" einnimmt und nicht mehr der Rücktritt des Präsidenten Baschar Assad. Die gleiche Position schilderten in den letzten Wochen die Vertreterin der USA bei der UNO Nikki Haley und der US-Außenminister Rex Tillerson.
Diese Chemieattacke passierte eine Woche nachdem die USA ihre Ansichten auf den Syrienkonflikt radikal geändert haben. Warum sollte die Assad-Regierung in dieser Situation einen Chemieangriff durchführen? Das macht weder politisch, noch militärisch einen Sinn", unterstrich der Militärexperte Rainer Rupp.
Der Direktor des Zentrums zur Erforschung der nahöstlichen und zentralasiatischen Staaten Semjon Bagdasarow unterstrich, dass der Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Armee in diesem Moment überhaupt keinen Sinn macht, da die Regierungstruppen die absolute militärische Übermacht hätten. Assads Armee käme sehr erfolgreich voran, daher sei, dem Experten zufolge, ein Giftgasangriff auf eine friedliche Stadt "vollkommen unlogisch".
"Die US-nahe Koalition hingegen hat Probleme in Mossul und unter den Ländern, die Teil dieser Koalition sind, gibt es Staaten, die Chemiewaffen besitzen", merkte der Analytiker Konstantin Siwkow in einem Gespräch mit RT an.
Eine bekannte Handschrift
Chemiewaffen wurden im Laufe des Syrienkonfliktes nicht zum ersten Mal verwendet, doch die Handschrift ist jedes Mal die gleiche.
Das sieht nach dem Einsatz von chemischen Mitteln aus, die unter kleingewerblichen Bedingungen produziert wurden. Ein kleines betroffenes Gebiet sowie die einfachste und primitivste Art von Zerstäubungsverfahren der Substanz sind zu erkennen. Etwas ähnliches konnten wir auch in Aleppo beobachten", fügte Bagdasarow hinzu.
Der Nahostexperte Ali Riz erzählte in einem RT-Interview, dass die Terrorgruppen in Syrien eine lange Geschichte bei der Verwendung von solchen Giftstoffen wie Chlor und Sarin haben:
"Hierbei sollte der russischen Mitteilung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, dass eine Untergrundfabrik zur Herstellung von Chemiemitteln am östlichen Rand von Chan Scheichen angegriffen wurde."
Wem nützt es?
Nach den Ereignissen in Idlib ging das beinahe vergessene Lied über den notwendigen Rücktritt Assads wieder von vorne los. Der britische Außenminister Boris Johnson teilte mit, dass er Beweise habe, die die Beteiligung des syrischen Präsidenten an dem Gasangriff belegen. Er legte diese natürlich nicht vor.
Der US-Präsident Donald Trump beschuldigte die syrische Armee, die Chemieattacke durchgeführt zu haben. Kurz darauf trat der US-Außenminister Tillerson an die Öffentlichkeit und erklärte, dass Assad in seinem Land auf eine "harte, schamlose und barbarische Weise" vorgehe.
"Diese schrecklichen Handlungen Assads dürfen nicht geduldet werden. Die USA und ihre Verbündeten verurteilen diese schreckliche Attacke sowie alle ähnlichen schrecklichen Attacken", sagte Trump.
Der Meinung von Bagdasarow nach machen die US-Amerikaner derartige Aussagen absichtlich:
Die Trump-Regierung hat eine Politik in Bezug auf Syrien beschlossen. Der Sturz Assads war schon früher geplant gewesen, so bleibt er auch heute das Ziel. Nur mit anderen Mitteln.
Der Militärexperte Wiktor Litowkin ist der Meinung, dass die Ereignisse in Chan Schaichun eine erneute Provokation sind:
Das zeigt, warum die Opposition nicht in der Lage ist, mit den Delegationen der Regierung zusammen zu arbeiten und sich nicht an einen Tisch mit dem angeblichen Mörder Assad setzen kann. Die Opposition stellt die Forderung auf, dass Assad zurücktreten muss. Die Hauptaufgabe der Opposition ist es, ihn zu stürzen. Sie müssen das Geld abarbeiten, was im Laufe der sechs Kriegsjahre für sie ausgegeben wurde.
Auch Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten, äußerte sich in einem Telefoninterview mit RT zu den Ereignissen:
"Es gibt Kräfte, die versuchen, die legitime Führung der Syrischen Republik zu delegitimieren. Außerdem gibt es terroristische Kräfte und die, die die Terroristen unterstützen."
Der russische Vize-Außenminister Gennadi Gatilow wies bei der internationalen Geberkonferenz zu Syrien in Brüssel darauf hin, dass die Ereignisse in Idlib nicht dazu instrumentalisiert werden dürfen, um die Verhandlungen über die Zukunft Syriens abzubrechen und fügte hinzu:
"Alles könnte die Verhandlungen beeinflussen. Aber es ist nicht wünschenswert, dass derartige Ereignisse dazu verwendet werden, den Verhandlungsprozess zu behindern oder gar ganz abzubrechen. Wir sprechen ständig davon, dass es notwendig sei, verhandlungsfreundliche Umstände zu schaffen. Ebenso wichtig ist es, dass die Verhandlungen inklusiv verlaufen. Das bezieht sich insbesondere auf die Delegation der Opposition."
Gatilow sprach auch über den Fortschritt bei den Friedensverhandlungen. Dabei sagte er, es sei schwer zu sagen, wie sich die Gespräche weiter entwickeln werden. Es gebe mehrere Etappen, zum Beispiel das nächste Treffen in Astana, das schon auf den 4. Mai vorgeplant ist. Und es wäre wahrscheinlich logisch, dass das nächste Treffen in Genf nach den Verhandlungen in Astana stattfindet, damit ihre Ergebnisse dort verwendet werden können, hoffte Gennadi Gatilow.
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