Ein Beitrag von Irene Eckert
Ein neuer friedenspolitischer
Hoffnungsschimmer zeichnet sich am Horizont ab. Das geopolitisch seit
1949 immer höher aufgetürmte NATO-Kartenhaus könnte bald ins
Wanken geraten und am Ende gar einstürzen. Und das nach dem auf dem
Warschauer NATO-Gipfel am 8./9.Juli noch Einigkeit und die
bedrohliche Ausweitung der Kampfzone gen Russland hin beschworen
wurde.2
Erdogan hatte noch im Mai versucht, auf
die NATO dahingehend einzuwirken, dass das Schwarze Meer nicht zu
einem Russischen See verkommen würde.3
Und erstens kommt es anders und als
zweitens als man denkt ...
Vor Wochen noch Unmögliches nimmt aber
inzwischen Gestalt an. Eine Normalisierung der türkisch-russischen
Beziehungen bahnte sich vermutlich seit längerem an und wurde
realisierbar nachdem dem Erdogan sich bei Russland für den Abschuss
einer Suchoi Su-24 der russischen Luftwaffe am 24. November 2015 im
türkisch-syrischen Grenzgebiet förmlich entschuldigt hat. Diese -
aus russischer Sicht – überfällige und unausweichliche Geste aus
der Türkei kam dann kurz vor dem gescheiterten Putschversuch vom
15./16. Juli. Aus internationalen Quellen ist nun deutlich
vernehmbar, dass es Präsident Putin war, der die Haut seines
türkischen Kollegen rettete, indem er ihn von dem geplanten
Putschversuch in Kenntnis gesetzt hat. 4
Wer operiert unter falscher Flagge?
Das rasch gestreute Gerücht von einer
Operation unter falscher Flagge könnte daher eher von jenen Kreisen
lanciert sein, die in Wirklichkeit hinter dem Putsch stecken: die
Führungsmacht der NATO und ihre diversen Dienste.5
Die Forderung Erdogans in Richtung USA, sie mögen das Haupt des
geplanten Umsturzes, den CIA-Mann Gülen ausliefern, ist zwar
diplomatisch gefasst, aber unmissverständlich6.
Außenminister Davutoglu, inzwischen abgelöst, gab zu, den
Einsatzbefehl zum Abschuss der russischen Maschine erteilt zu haben.
Die verantwortlichen Piloten wurden inzwischen verhaftet und der
Verwicklung ins Putschgeschehen beschuldigt.
Mit gespaltener Zunge und
absichtsvoller Blendung
Während nun bei uns zu Lande die
Reaktion auf den abgewehrten Putsch im Nachbarland und NATO-Partner
ebenso wie jenseits des Atlantik sehr verhalten war und unisono alle
politischen Fraktionen jetzt die Säuberungen in der Türkei
anprangern, geschieht in Wahrheit in deren Windschatten Großes. Die
Reaktionen in Frankreich auf die neuerliche Terrorattacke in Nizza
vom 14. Juli werden unbeanstandet nicht als unverhältnismäßig
angeprangert, ebenso wenig wie die Polizeispezialeinsätze in
Süddeutschland bei ebenfalls mörderischen Übergriffen. Während
unterdessen der Terror immer weitere Kreise zieht, basteln die
Leitmedien weiter am Feindbild und Russland und allem Anschein nach
auch am Negativ-Image der Türkei. Die Angst vor einem neuen
allumfassenden Krieg nimmt unterdessen zu. Nicht wahrgenommen - wegen
absichtlicher Blendung durch atlantisch geführte Medien - wird
dagegen, dass sich unterdessen das Kräfteparallelogramm weiter, fast
unmerklich und trotz alledem, zugunsten einer multipolaren
Friedensachse verschiebt.
Brexit-Votum und NATO - Gipfel in
Warschau (!) gingen Türkei - Putsch voran
Durch das Brexit-Votum der Briten droht
eine erdrutschartige Erschütterung für die EU, der ökonomischen
Basis der NATO. Das für Trans-Atlantiker Unzulässigste geschah:
Volkes Stimme hatte sich - entgegen aller Manipulationsversuche im
Vorfeld des Referendums - Anfang Juni 2016 erstmals
unmissverständlich gegen ein US-gesteuertes Projekt ausgesprochen.
Weitere Abstimmungen stehen jetzt anderen EU-Staaten ins Haus.
Die Warschauer NATO-Konferenz verlief
trotz der martialischen Töne und der Einigkeitsschwüre nicht ganz
im Sinne der Moderatoren. Die sich längerem schon abzeichnende
türkische Wiederannäherung an den russischen Partner passt ganz
und gar nicht ins geopolitische Konzept, das seit beinahe einem
Jahrhundert in den US geschmiedet wird.7
Die Türkei ist mit seiner bis dato stärksten Armee wichtigstes
NATO-Mitglied an der Südostflanke Europas. Russland sollte mit dem
türkischen Abschuss eines Kampfbomber im Anti-Terroreinsatz über
Syrien bewusst und gezielt provoziert werden8.
Stattdessen besann sich Erdogan und war schon im Begriff seine
aggressive Syrien- und Russlandpolitik zu revidieren, als die wie
bisher immer US-gesteuerten Putschisten dem Einhalt zu bieten
versuchten. Der nunmehr – mit russischer Hilfe - abgewehrte Putsch
des nato-getreuen türkischen Militärs führte zu einer umfassenden
Säuberungsaktion. Diese richtet sich in erster Linie gegen die
US-gesteuerten Gülen-Infiltrate 9,
die nicht nur in Militärkreisen in Unwesen trieben, übrigens auch
nicht nur in der Türkei. Der gewöhnlich sehr gut informierte Saker10
meint, dass der niedergeschlagene Putsch für Syrien geradezu
'gottgesandt' gewesen sei, weil damit ein gewichtiger Gegner
neutralisiert worden ist. Selbst eine türkisch-iranisch-russische
Achse rückt er nun in den Bereich des Möglichen. Sollte es nun
darüber hinaus gelingen, dass das amerikanische Volk die Wahl der
Kriegerin Killary verhindert, so entstünden echte Chancen für eine
multipolare und damit friedlichere Weltordnung.
In diesem Sinne ist aus
friedenspolitischer Perspektive dem Treffen zwischen Erdogan und
Putin am 9. August in Moskau Erfolg zu wünschen.
1http://pwlasowa.blogspot.de/2016/07/syrien-kehrtwende-erdogan-lasst-grenze.html
2
„Auf dem NATO-Gipfel am 8. und 9. Juli 2016 wird es vor allem
darum gehen, eine Spaltung im Bündnis zu verhindern...“
Arbeitspapier
Die
Agenda des NATO-Gipfels von Warschau von Karl-Heinz Kamp
Sicherheitspolitik Nr. 9/2015
https://www.baks.bund.de/sites/baks010/files/arbeitspapier_sicherheitspolitik_9_2015.pdf
Allerdings
hatte Erdogans Türkei etwa bereits bezüglich einer geplanten
Verstärkung der NATO-Präsenz im Schwarzen Meer schon vor der
Tagung einen Rückzieher gemacht Laut Stratfor sprach sich die
Türkei bis vor kurzem ebenfalls für die Stärkung der Nato im
Schwarzen Meer aus, doch in den
vergangenen Wochen versuchte Ankara, die Beziehungen zu Moskau zu
normalisieren, die
sich nach dem Abschuss des russischen Militärflugzeugs über Syrien
durch die Türkei verschlechterten.
http://de.sputniknews.com/politik/20160707/311228704/schwarzes-meer-stratfor-zuspitzung-russland-nato.html
3
Erdogan, In Plea To NATO, Says Black Sea Has Become "Russian
Lake"
May
11, 2016 - 8:04pm, by Joshua Kucera The Bug Pit NATO Russia Turkey
Turkish
President Recep Tayyip Erdogan has called for a greater NATO
presence in the Black Sea to counter Russia, potentially
representing a policy shift for Ankara, which has traditionally
jealously guarded its role as the sole Western power on the sea.
Speaking
at a Balkan security conference in Istanbul, Erdogan complained that
the sea has become a "Russian lake"
http://www.eurasianet.org/node/78741
Erdogan:
Turkey ready to restore regional peace together with Iran and Russia
More: http://tass.ru/en/world/889162
5http://de.sputniknews.com/politik/20160716/311507732/tuerkei-putsch-nicht-ohne-usa.html
von Ulrich Gellermann
7Zbigniew
Brzezinski „Die einzige Weltmacht Amerikas Strategie der
Vorherrschaft“, Frankfurt am Main ,1999 (Original 1997) hat
Vorläufer in Mackinders Herzlandtheorie, und dessen Fortsetzer
Spykman „Die amerikanische Strategie in der Weltpolitik 1942!
Siehe dazu auch J.N. Semjonow „Die faschistische Geopolitik im
Dienste des Amerikanischen Imperialismus“ Dietz-Verlag Berlin 1955
8Siehe
auch dazu Willy Wimmer in F4, der die Verantwortung dafür den USA
zuschreibt.
9http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/08/03/putsch-vorwurf-erdogan-will-nato-geheimarmee-zerschlagen/
10Siehe
FN 3
No comments:
Post a Comment