LobbyControl e.V. - Newsletter vom 7. Juli 2016
Brexit: Chance für ein demokratischeres Europa der Bürgerinnen und Bürger
Liebe Annette Klepzig,
nach dem britischen Referendum befindet sich die EU – mal wieder – in der Krise. Doch jede Krise bietet auch eine Chance: Anstatt Probleme unter den Tisch zu kehren, wird endlich offen über den Zustand und die Zukunft der Europäischen Union diskutiert. Probleme gibt es in der Tat viele: Auch wir berichteten in den letzten Jahren immer wieder über den oft problematischen und übergroßen Lobbyeinfluss in Brüssel und die Defizite bei der demokratischen Kontrolle des Lobbyismus.
Wir sehen die Debatte um den Brexit daher auch als Chance, um die Demokratiedefizite der EU-Institutionen, ungleichen Einfluss, mangelnde Transparenz und unregulierten Lobbyismus endlich konsequent anzugehen. Denn eines ist klar geworden: Wenn die EU eine Zukunft haben will, dann darf sie kein neoliberales Europa der Konzerne sein, sondern eine öffentliche Demokratie, ein demokratisches Europa, geprägt von Bürgerinnen und Bürgern und deren Belangen.
Das war oftmals nicht der Fall. In jüngster Vergangenheit zeigte das der Umgang mit den umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und CETA, der weiche und sehr konzernfreundliche Kurs im Umgang mit der Auto-, Banken- und Agrarindustrie – oder das schwache Engagement gegen die Steuertricks der Konzerne.
Gleichzeitig ist klar: Es ist nicht nur die EU-Kommission, die hier ihr Spiel treibt. Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sind über den Rat genauso an der EU-Politik beteiligt - seit der Eurokrise zunehmend an Kommission und Parlament vorbei. Es sind gerade der Rat und seine Gremien, die stets im Geheimen tagen und auch von Lobbyisten belagert werden. Über den Rat hat Bundeskanzlerin Merkel die Interessen von VW durchgeboxt. Der Rat spricht in der Handelspolitik stets mit. Und es ist auch der Rat, der bislang von den Plänen zu einem verpflichtenden Lobbyregister ausgenommen ist.
Das muss sich ändern. Wir nehmen den Brexit zum Anlass, für eine demokratischere EU mit einem starken EU-Parlament und einer ebenso starken Lobbykontrolle zu kämpfen. Für ein Europa, das nicht mehr durch Unternehmenslobbyisten geprägt ist. Für ein Europa, das von einer transparenten und demokratischen Kultur lebt, in der alle Bürgerinnen und Bürger faire Chancen der Mitsprache und Mitbestimmung haben.
Viel Spass bei der Lektüre unseres Newsletter mit Europaschwerpunkt wünschen Ihnen
Dieter Plehwe, Max Bank und Timo Lange LobbyControl
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3) Seitenwechsel: Ex-Finanzstaatssekretär und EZB-Direktor wird Banklobbyist Der ehemalige Staatssekretär und Europäische Zentralbanker Jörg Asmussen machte als politischer Beamter so richtig Karriere. Nach rund 15 Jahren Finanzpolitik will Asmussen laut Spiegel nun bei der amerikanischen Investmentbank Lazard als Hauptstadtlobbyist anfangen. Das ist ein problematischer Seitenwechsel, der erneut ein fahles Licht auf politische Kultur in der Hauptstadt wirft. Die Bundesregierung wird voraussichtlich keinen Widerspruch gegen den Wechsel eines hochrangigen ehemaligen Beamten in einen Lobbyjob einlegen. Wie gestern bekannt wurde, soll Asmussen zudem Berater der irakischen Regierung werden – im Auftrag der Bundesregierung. Lesen Sie mehr hierzu unseren Artikel...
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