12. März 2016
Sehr geehrter Herr Außenminister Steinmeier,
am 9.3.2016, erhielten wir von Ihrem Amt den folgenden Text:
Außenminister Steinmeier anlässich der Messerangriffe gegen Zivilisten in Israel
09.03.2016
Zu den jüngsten Messerangriffen gegen Zivilisten in Israel sagte Außenminister Steinmeier heute (09.03.) in Berlin:
Wir verurteilen die abscheulichen Angriffe auf Zivilisten, die sich gestern in Tel Aviv-Jaffa, Petah Tikva und heute Morgen in Jerusalem ereignet haben, auf das Schärfste. Für solche Mordtaten gibt es keine Rechtfertigung. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten den Opfern und ihren Angehörigen.
Die seit Mitte September andauernde Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern, die nahezu täglich Menschenleben fordert, muss ein Ende finden.
Beide Seiten müssen helfen, zu einer Deeskalation zu kommen. Es reicht nicht, an den Symptomen des Konflikts zu arbeiten, sondern es muss den Ursachen begegnet werden. Hoffnung auf Frieden für Israelis und Palästinenser bietet nur die Wiederaufnahme ernsthafter Bemühungen hin zu einer fairen Zweistaatenlösung.
Wir verurteilen die abscheulichen Angriffe auf Zivilisten, die sich gestern in Tel Aviv-Jaffa, Petah Tikva und heute Morgen in Jerusalem ereignet haben, auf das Schärfste. Für solche Mordtaten gibt es keine Rechtfertigung. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten den Opfern und ihren Angehörigen.
Die seit Mitte September andauernde Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern, die nahezu täglich Menschenleben fordert, muss ein Ende finden.
Beide Seiten müssen helfen, zu einer Deeskalation zu kommen. Es reicht nicht, an den Symptomen des Konflikts zu arbeiten, sondern es muss den Ursachen begegnet werden. Hoffnung auf Frieden für Israelis und Palästinenser bietet nur die Wiederaufnahme ernsthafter Bemühungen hin zu einer fairen Zweistaatenlösung.
Sehr geehrter Herr Steinmeier,
selbstverständlich ist es richtig und gut, dass Sie Gewalt, menschenverachtende, tödliche Gewalt verurteilen und sich öffentlich dagegen aussprechen. Aber warum geschieht das so einseitig, so ausschließlich dann, wenn Israelis Opfer von Gewalttaten wurden. Warum schweigen Sie zu all der alltäglichen Gewalt, die die israelische Besatzungsmacht gegen Palästinenser ausübt.
Ich zitiere aus dem Wochenbericht des Palestinean Centre for Human Rights (Weekly Report On Israeli Human Rights Violations in the Occupied Palestinian Territory (25 February – 02 March 2016), dem jüngsten Bericht der uns vorliegt:
… Israeli forces have continued to commit crimes, inflicting civilian casualties. They have also continued to use excessive force against Palestinian civilians participating in peaceful protests in the West Bank and Gaza Strip, the majority of whom were youngsters. During the reporting period, Israeli forces killed 4 Palestinian civilians, including 3 children, in the West Bank. One of them was killed in Qalandya refugee camp, north of occupied Jerusalem, another was killed at “Beit Eil”military checkpoint, north of Ramallah, while the 2 others were killed in “Eli” settlement, south of Nablus. Moreover, they wounded 20 civilians, including 3 children. Thirteen of them, including a child, were in the West Bank, and the 7 others, including 2 children, were in the Gaza Strip. Concerning the nature of injuries, 11 civilians were hit with live bullets, 6 were hit with rubber-coated metal bullets and 3 others were hit with sound bombs.
In the West Bank, Israeli forces killed 4 Palestinian civilians, including 3 children, and wounded 13 others, including a child. Seven of them were hit with live bullets and 6 others were hit with a rubber-coated metal bullet. …
(mehr unter http://pchrgaza.org/en/?p=7895 )
(mehr unter http://pchrgaza.org/en/?p=7895 )
Es ist uns nicht verständlich, warum Sie durch öffentliche Erklärungen den Eindruck von Einseitigkeit verstärken, der seit Jahren das Erscheinungsbild der deutschen Nahostpolitik bestimmt. Wenn Sie schon nicht umhin konnten, die schlimmen Messerattacken auf Israelis zu kommentieren, warum kommentieren Sie dann nicht auch die Attacken der IDF, einer der bestgerüsteten Armeen der Welt, auf die Bevölkerung des Westjordanlandes und des Gazastreifens. Sie wissen doch über die Lage der Palästinenser Bescheid, die sich seit 1968 einer arroganten, ihre Menschenrechte mit Füßen tretenden Besatzungsmacht gegenüber sehen, die ihnen ihre Rechte verweigert, auch das Recht auf freie Meinungsäußerung, wie gerade in diesen Tagen wieder geschehen durch die Weigerung des IDF, den palästinensischen Menschenrechtler und Friedensaktivisten Salah Al-Khawaja nach Deutschland zu einer Reihe von Vorträgen (in Hamburg und Berlin) ausreisen zu lassen. Ein ebenso beredtes Schweigen Ihres Hauses herrscht in Bezug auf die unerträgliche Situation der Menschen im Gazastreifen, denen durch die andauernde Blockade durch Israel jegliche geordnete Wiederherstellung ihrer Lebensgrundlagen verweigert wird.
Eine der vielen minutiösen Faktensammlungen durch das PCHR, die Übersicht über die Umstände von 135 Tötungen von Palästinensern im vierten Quartal 2015 http://pchrgaza.org/en/?p=7492 lässt uns sprachlos. Ihre Reaktion auf diese Aufstellung interessiert uns sehr!
Herr Steinmeier, Sie sind führendes Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, einer Partei, zu deren Traditionen die Solidarität mit den Schwachen, den Unterdrückten, den Entrechteten gehört. Wie gelingt es Ihnen, diese Tradition, die ja an manchen Stellen in der SPD noch durchscheint, zu harmonisieren mit Ihrer „Realpolitik“?
Der letzte Absatz Ihrer Verlautbarung lässt uns rätseln, was damit wohl gemeint sei:
Beide Seiten müssen helfen, zu einer Deeskalation zu kommen. Es reicht nicht, an den Symptomen des Konflikts zu arbeiten, sondern es muss den Ursachen begegnet werden. Hoffnung auf Frieden für Israelis und Palästinenser bietet nur die Wiederaufnahme ernsthafter Bemühungen hin zu einer fairen Zweistaatenlösung.
Ist dies die verschlüsselte Aufforderung an die israelische Seite, die Besatzung der seit 1968 okkupierten (und zum Teil widerrechtlich annektierten) Gebiete zu beenden und den Palästinensern ihre Hoffnung auf eine irgendwie geartete Zukunft wiederzugeben? Und/Oder ist dies die Aufforderung an die Palästinenser, sich jeglichen Widerstandes gegen die Besatzung zu enthalten und sich mit der Situation der fortschreitenden Enteignung und ethnischen Säuberung abzufinden? Was ist Ihrer Meinung nach denn eine „faire Zweistaatenlösung“? Ihre Verlautbarung vom 9.3. lässt uns ratlos.
In der Hoffnung auf eine klärende Antwort grüßen Sie
Renate Dörfel-Kelletat und Frank Dörfel
P.S. Wir senden diesen Brief als "Offenen Brief", da wir von mehreren Bekannten auf genau diese Frage angesprochen wurden.
Ihre Antwort, auf die wir hoffen, werden wir selbstverständlich an den selben Adressatenkreis weiterleiten, wenn Sie dies wünschen.
Ihre Antwort, auf die wir hoffen, werden wir selbstverständlich an den selben Adressatenkreis weiterleiten, wenn Sie dies wünschen.
No comments:
Post a Comment