Saturday, December 5, 2015


Parlamentarier bei der heutigen Abstimmung im Bundestag
Parlamentarier bei der heutigen Abstimmung im Bundestag
Am Freitagmittag hat der Bundestag wie erwartet dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt und einen Bundeswehreinsatz in Syrien legitimiert. Zunächst bis Ende 2016 sollen nun Tornado-Kampfflugzeuge, eine Fregatte und 1.200 Soldaten entsendet werden. Die Oppositon erwägt eine Verfassungsklage in Karlsruhe. Doch obwohl Experten den Einsatz für völkerrechtswidrig halten, besteht offenbar keine Chance, dass das Bundesverfassungsgericht den Waffengang noch stoppt. 
445 Bundestagsabgeordnete stimmten heute für einen Bundeswehreinsatz in Syrien, 146 dagegen, sieben Parlamentarier enthielten sich. Nur die Fraktion der Partei DIE LINKE stimmte geschlossen gegen den Krieg.
Da die Begründung der Bundesregierung für die Rechtmäßigkeit des Einsatzes mehr als vage ist, kündigte die Opposition bereits an, eine Verfassungsklage zu erwägen. Denn tatsächlich ist eine Beteiligung an Kriegen nur dann rechtens, wenn ein entsprechendes Mandat des UNO-Sicherheitsrates vorliegt, das Selbstverteidigungsrecht eines Staates gegen einen anderen Staat aufgrund von akuter Bedrohung greift, oder die Regierung des Landes in dem der Krieg stattfindet offiziell um Militärhilfe bittet.
Letzteres hat die syrische Regierung bisher nur gegenüber der Russischen Föderation getan. Alle anderen Einsätze - so auch jener der Bundeswehr - sind folglich völkerrechtswidrig.
Dennoch glaubt die deutsche Bundesregierung mit drei Argumenten eine deutsche Beteiligung am Syrien-Krieg juristisch begründen zu können: In der UNO-Resolution 2249, die am 20. November 2015 in Folge der Pariser Terroranschläge verabschiedet wurde, legitimieren die Vereinten Nationen Frankreich im Kampf gegen den IS "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um terroristische Handlungen zu verhüten". Das damit ein kriegerisches Eingreifen gemeint ist, wird jedoch auch unter Rechtsexperten bezweifelt. Letztendlich gibt es kein klares UNO-Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta für militärische Angriffe. Immerhin betont Resolution 2249 auch, die zu ergreifenden Maßnahmen sollen im Einklang mit den Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen.
Argumentiert wird seitens der Bundesregierung auch mit Artikel 51 der UN-Charta, wonach Frankreich das Recht zur Selbstverteidigung habe, nachdem mehrere Terrorattacken am 13. November 2015 Paris erschütterten, zu denen sich später der "Islamische Staat" bekannte. Doch bei dem Terrorkonglomerat handelt es sich - trotz der Selbstbezeichnung - eben nicht um einen völkerrechtlich anerkannten Staat. Genau auf diesen Rang würde man den IS jedoch durch Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 erheben. Zudem soll der Artikel lediglich schnelle Reaktionen ermöglichen, die bei akuter Gefahr notwendig sind, bevor ein robustes Mandat vom Sicherheitsrat erteilt worden ist. Keinesfalls ist Artikel 51 als alternativer Weg an einem Sicherheitsratsbeschluss vorbei gedacht. Hinzu kommt, dass die Terroranschläge von Paris größtenteils von Europäern verübt wurden. Streng genommen müsste Frankreich also die Banlieues und Belgien bombardieren.1
Ohnehin kann sich lediglich Frankreich auf diese Klausel berufen. Für die Begründung eines Bundeswehreinsatzes ist hingegen noch mehr völkerrechtliche Kreativität gefragt. So beruft sich die deutsche Bundesregierung auf Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrages, auf Grundlage dessen die französische Regierung die übrigen EU-Mitgliedsstaaten um Beistand gebeten hat. Hier greife ein System der "kollektiven Sicherheit", heißt es.
Generell stünden die Chancen einer Klage gegen den Syrien-Einsatz der Bundeswehr vor dem Bundesverfassungsgericht also durchaus nicht schlecht. Doch Rechtsexperten bezweifeln, dass der Waffengang auf diesem Weg noch gestoppt werden kann. De facto fehlen Karlsruhe nämlich die Rechtsmittel, um eine solche Entscheidung zu treffen. Katja Keul, rechtspolitische Sprecherin der Grünen, merkt an:
„Obwohl ich den Bundeswehreinsatz in Syrien für völkerrechts- und verfassungswidrig halte, wäre eine Klage der Opposition derzeit unzulässig.“
Bei vorigen erfolgreichen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Bundeswehreinsätze handelte es sich stets um so genannte "Organklagen", die darauf abzielten, dass der Bundestag vor der Entsendung von Soldaten nicht konsultiert wurde. Doch genau diesen Weg hält die Bundesregierung diesmal formal korrekt ein. Ein inhaltliches Klagerecht gegen völkerrechtswidrige Entscheidungen gibt es hingegen schlicht nicht.
Zudem hat bereits 1994 das Bundesverfassungsgericht verkündet, dass die Bundeswehr auch außerhalb des NATO-Gebietes militärisch tätig werden darf, wenn der Einsatz in ein System "kollektiver Sicherheit" eingebunden ist. Genau jenes völkerrechtliche Schlupfloch, das die Regierung nun nutzt.
Letztendlich ist Karlsruhe also nicht legitimiert Entscheidungen der Regierung zu stoppen, selbst wenn diese das Völkerrecht verletzten. Ein Freifahrtschein, den die deutsche Politik offenbar nur allzu gerne einlöst, andererseits aber hoch empört auf die Sezession der Krim reagierte, die völkerrechtlich ebenfalls durchaus umstritten war, bei der jedoch kein einziger Schuss fiel und niemand zu Schaden kam.
Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass sich der Terror allein mit Bombardements nicht stoppen lässt. Mit Doppelstandards jedoch erst recht nicht.
In Berlin demonstrierten bereits gestern rund 3.000 Menschen gegen die Entscheidung:

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