Syrer sollen über Syrien entscheiden
UN-Generalsekretär verurteilt US-Politik im Nahen Osten. Kritik auch aus Obamas eigenen Reihen
Rainer Rupp
05.11.2015 / Schwerpunkt / Seite 3
In einem Interview mit der spanischen Zeitung El País vom 31. Oktober hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die US-amerikanische Position zu Syrien scharf verurteilt. Der Chef der Vereinten Nationen kritisierte insbesondere die Vorbedingung des US-Präsidenten Barack Obama, dass Syriens Staatschef Baschar Al-Assad zuerst aus dem Amt entfernt werden müsste. Zugleich unterstützte Ban die russische Position, indem er sagte: »Über die Zukunft von Präsident Assad muss das syrische Volk entscheiden.« Dass alle weiteren politischen Verhandlungen von der Forderung »der USA und westlicher Länder gelähmt werden, finde ich total unvernünftig und nicht akzeptabel«, so Ban. Und er mahnte: »Inzwischen haben wir Jahre verloren. 250.000 Menschen sind getötet worden. Es gibt 13 Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebene. Über 50 Prozent der Krankenhäuser, Schulen und Infrastruktur in Syrien sind zerstört worden. Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren.«
Der UN-Generalsekretär macht damit implizit US-Präsident Obama und die »vielen westlichen Länder«, die in Syrien den Regimewechsel betreiben, für das Blutvergießen und das Elend verantwortlich. Zugleich unterstützt er die russische Position und die Forderung Präsident Wladimir Putins, wonach nur das syrische Volk in einer freien Wahl seinen Präsidenten bestimmen kann. Obamas Forderung, dass die Angelegenheit der syrischen Präsidentschaft nicht von Syrern, sondern von Nichtsyrern in nicht demokratischen Verfahren in irgendwelchen Verhandlungsräumen im Ausland entschieden werden soll, lehnt Ban Ki Moon ab.
Aber auch in den USA wächst der Widerstand gegen die Syrien-Politik der Obama-Administration. Deren Dilemma ist, dass sie der Öffentlichkeit unmöglich erklären kann, warum sich das Pentagon einer Zusammenarbeit mit den Russen im Kampf gegen den »Islamischen Staat« und andere Dschihadistengruppen in Syrien verweigert. Denn damit würde sie eingestehen, dass sie in Assad, Russland und Iran eine größere Bedrohung für die USA sieht als im IS – und/oder, dass Washington gemeinsam mit seinen regionalen Verbündeten Türkei, Saudi-Arabien und Katar den sunnitischen Gewaltextremismus in Syrien und dem Irak gar nicht beenden will. Das Eingeständnis von nur einem dieser beiden Punkte hätte katastrophale Folgen für Washingtons »Öffentlichkeitsarbeit«. Deshalb rechtfertigt man dort neuerdings die eigene Politik mit der scheinheiligen Sorge, dass Russlands Eingreifen an der Seite der rechtmäßigen Regierung Syriens gegen den IS »nur noch mehr Opfer« verlangen und die Flüchtlingsströme verstärken wird.
Doch das nimmt der US-Regierung kaum noch jemand ab. Die eloquente US-Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard hat Ende Oktober zur besten Sendezeit im Nachrichtensender CNN Klartext gesprochen: Washingtons Bemühungen, Assad zu stürzen, seien nicht nur »illegal«. Die US-Strategie sei auch derart dumm, dass sie »kontraproduktiv« ist. Gabbard ist nur Mitglied von Obamas Demokratischer Partei und sitzt auch im einflussreichen Streitkräfteausschuss des Kongresses. Als Irakkriegsveteranin hat ihr Wort Gewicht, wenn sie dem Geheimdienst CIA vorwirft, in Syrien und im Irak die gleichen Terroristen zu bewaffnen, die das Weiße Haus der amerikanischen Öffentlichkeit ständig als »Erzfeind« präsentiert. Ohne Schnörkel erklärte sie, dass die Obama-Administration die Öffentlichkeit belügt und mit ihrer illegalen Politik in Syrien versehentlich den »Dritten Weltkrieg« auslösen kann.
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Thursday, November 5, 2015
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