Der Israeli Miko Peled ist Sohn eines Generals, Karate-Meister und Friedensaktivist. Überseinen aussergewöhnlichen Werdegang hat er jetzt einBuch geschrieben.
Peled kommt auch nach Berlin
Wann:
Dienstag, 30. Juni 2015
19:00 Uhr
Wann:
Dienstag, 30. Juni 2015
19:00 Uhr
Wo:
Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Neue Adresse: Sebastianstraße 21
10179 Berlin
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10179 Berlin
Noch bevor er lesen lernt, kann der kleine Avram Peled sämtliche Ränge der israelischen Armee auflisten und deren ganzes Waffenarsenal aufzählen. Wenn er mit seinem Vater, dem General, durch das israelisch besetzte Westjordanland fährt, fühlt er sich wie ein Eroberer. Sein Grossvater, Avraham Katznelson, gehörte zu den Unterzeichnern der israelischen Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1948. Wenn es so etwas wie eine jüdisch-zionistische Aristokratie gäbe: Die Familie Peled gehörte definitiv dazu.
Heute ist Avram 51 Jahre alt und nennt sich Miko. Am Revers seines Jacketts trägt er eine Solidaritäts-Schlaufe in den Farben der palästinensischen Nationalfahne: Rot, Schwarz, Weiss und Grün. Israel bezeichnet er als Apartheidstaat und die israelische Armee als grösste Terrororganisation der Welt. Was in den Ohren der meisten Israeli schockierend klingt, ist für Miko Peled selbstverständlich: «Ich setze mich für Menschenrechte und Gleichheit ein, eine moderatere Position gibt es nicht. Doch in Israel ist die Mitte dermassen nach rechts gerückt, dass mich die Leute als Radikalen bezeichnen», sagt Peled beim Gespräch in Bern. Er argumentiert ruhig und sachlich – und dennoch mit viel Dynamik. In die Schweiz ist er gereist, um Vorträge zu halten und seine Autobiografie zu präsentieren: eine spannende Lektüre über eine aussergewöhnliche israelische Familie («The General's Son. Journey of an Israeli in Palestine», Just World Books 2012). Sein Vater, Matti Peled, wurde vom Kriegshelden zum Friedensaktivisten. Nach dem Sechstagekrieg von 1967 sprach er sich für eine Rückgabe der eroberten Gebiete aus und warnte davor, dass Israel als dauerhafte Besatzungsmacht Schaden nehmen würde. Auch Mikos Geschwister engagieren sich für palästinensische Anliegen. Und Miko nimmt regelmässig an gewaltlosen Protesten gegen die Besetzung teil, etwa in Bil'in, einem Dorf im Westjordanland, das durch die Sperrmauer von einem Grossteil seines Agrarlandes abgeschnitten ist. In der Stadt Ramallah und in Flüchtlingslagern unterrichtet er zudem Karate: «Karate gibt Selbstvertrauen und lehrt einen, dass man übermächtig scheinende Kontrahenten besiegen kann», sagt Miko Peled.
So engagiert war Peled nicht immer. Seit 25 Jahren lebt er mit seiner Frau und den zwei Kindern in Südkalifornien und betreibt ein Karate-Studio. Der Tod seiner 14-jährigen Nichte Smadar – sie wird 1997 von palästinensischen Selbstmordattentätern getötet – ist für Peled ein Weckruf. «Terroranschläge sind Resultat der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern. Nach dem Tod Smadars war es mir ein Bedürfnis, auf die andere Seite zuzugehen.» Miko Peled verschweigt nicht, dass es ein schwieriger Weg war: «Nach Jahrtausenden der Verfolgung ist die Angst in unserer DNA eingraviert. Wenn ein Israeli ins Westjordanland reisen will, warnt ihn ein riesiges Schild vor der Weiterfahrt: Man erhält den Eindruck, dass uns dort Lebensgefahr droht.» Die Israeli müssten aber ihre Angst überwinden: Die Judenverfolgung sei vorbei, die Welt nicht mehr darauf versessen, Juden umzubringen.
Selber habe er beim Überschreiten der Grenze nur positive Erfahrungen gemacht, erzählt Peled. Immer sei er mit offenen Armen empfangen worden. Deshalb ist er zuversichtlich, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist – in einem einzigen Staat. Das bedeutete freilich das Ende des zionistischen Traums, eines Staates für die Juden. Und gleichzeitig auch das Ende der nationalen Aspirationen der Palästinenser. «Es wird nicht einfach, für beide Seiten. Du kannst aber keinen jüdischen Staat haben auf Territorium, das zur Hälfte von Palästinensern bewohnt ist. Und du kannst keinen palästinensischen Staat haben in einem Gebiet, in dem zur Hälfte Juden leben.» Ohnehin sei die Ein-Staaten-Lösung seit 1967 Realität: Nun müssten nur noch die Ressourcen geteilt und gleiche Rechte für alle eingeführt werden. «Wir Juden brauchen eine Heimat – aber einen eigenen Staat brauchen wir nicht», sagt Peled mit Nachdruck.
Dass er sich mit dieser Aussage in Israel nur wenige Freunde macht, ist Miko Peled einerlei. Von seiner Haltung ist er felsenfest überzeugt. «Jene, die besonders giftig und aggressiv auf unsere Kritik reagieren, wissen genau, dass wir recht haben.» Dass er zu einer kleinen Minderheit gehört, welche die Ein-Staaten-Lösung und das Ende des Zionismus fordert, stört ihn nicht: «Ich komme aus einer Familie von Pionieren. Kleine Gruppen vollbringen Grosses. Und ich bin glücklich, zu dieser einen kleinen Gruppe zu gehören.»
Quelle: Neue Züricher Zeitung über Miko Peled: http://www.nzz.ch/wir-juden- brauchen-keinen-staat-1. 16666882
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