Saturday, January 24, 2015

Frauen Europas, wo bleibt Eure Stimme gegen die Kriegstreiber von heute?

Zur kritisch.nachdenklichen Lektüre anempfohlen:

 Von Irmgard Hofer und Heidi Meinzolt

Im Sommer 1915 schrieb Lida Gustava Heymann einen flammenden Appell an die Frauen Europas, ihre Stimme gegen den Krieg zu erheben: „... kommt im Norden oder Süden Europas zusammen, protestiert kraftvoll gegen den völkermordenden Krieg und bereitet den Frieden vor ...“
Entgegen dem Mainstream der Kriegstreiber machten sich 1915 über 1000 Frauen zum 1. Frauen-Friedenskongress in Den Haag auf. Ihre scharfe Analyse der Kriegsursachen u.a. durch ökonomisches Profitstreben und machtpolitisches Kalkül und ihre Forderungen zur Vermeidung von Krieg und Gewalt sind gerade heute wieder sehr aktuell und ein Auftrag an zukünftige Generationen. ...

Der Kongress verabschiedete 20 Resolutionen und  entsendete mit ihnen Deputationen, welche die in den Resolutionen niedergelegte Botschaft den Oberhäuptern der kriegführenden und neutralen Staaten Europas und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Nordamerikas überbringen sollten, um die Regierungen der Welt zu veranlassen, dem Blutvergießen ein Ende zu machen und einen gerechten und dauernden Frieden zu schließen.
Nach dem Weltkrieg hat sich die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit zu einer weltweiten Frauen- Friedensorganisation mit Beraterstatus beim Völkerbund in Genf entwickelt. Erste Präsidentin war die be- kannte Sozialreformerin Jane Addams (USA), die 1931 den Friedensnobelpreis erhielt.

Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit hat heute Sektionen und Mitglieder in 30 Ländern und
allen Kontinenten. Als eine der nichtstaatlichen Organisationen (NGO) hat sie Beraterstatus bei den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen ECO- SOC, UNCTAD und UNESCO; sie ist Sonderberater bei FAO, ILO und UNICEF.
Die älteste Frauen-Friedensorganisation der Welt bereitet sich auf das 100. Gründungsjubiläum vor. Informationen unter www.wilpf.de
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München im Oktober 2014
Einige dieser Resolutionen wollen wir heute in ihrer Aktualität vorstellen:
1. Resolution zum Leiden der
Frauen im Krieg:
„Wir protestieren gegen die Auffassung, dass Frauen unter einer modernen Kriegsführung geschützt werden können. [...] gegen das furchtbare Unrecht, dem Frauen in Kriegszeiten ausgesetzt sind, und besonders gegen die entsetzlichen Vergewaltigungen von Frauen, welche die Begleiterscheinung jedes Krieges sind.“
Wer heute wirklich noch glaubt, dass Vergewaltigung erst als moderne Kriegswaffe in Bosnien und im Kongo eingesetzt wurde, muss sich spätestens hier eines Besseren belehren lassen. Frauen (nicht als Kämpferinnen wie die Männer im Feld) sind in allen Kriegen in ganz besonderem Maße bedroht und Opfer, ob sie gehandelt werden wie Ware, vergewaltigt oder „nur“ der Daseins- vorsorge beraubt werden. Erst kürzlich hat sich in London ein Gipfel mit neuen Forderungen gegen sexualisierte Kriegsgewalt und gegen die Straffreiheit für Täter ausgesprochen. Organisationen wie Medica Mondiale versuchen mit Traumaarbeit zu helfen.
2. Resolutionen zu Frauen in nationaler
und internationaler Politik
„Dieser Internationale Frauenkongress erklärt es für unumgänglich, sowohl national wie international den Grundsatz in die Praxis umzusetzen, dass die Frauen alle bürgerlichen und politischen Rechte und Verantwortungen unter gleichen Bedingungen tragen sollten wie die Männer.“
Zu Frauen und Friedensschlüssen
„Dieser Internationale Frauenkongress fordert, dass im Interesse dauernden Friedens und der Zivilisation die Konferenz zur Feststellung der Friedensbedingungen nach dem Kriege eine Resolution annehmen soll, welche die Notwendigkeit der politischen Gleichberechtigung der Frauen für alle Länder betont, dieser Internationale Frauenkongress fordert, dass Vertreter des Volkes an der Konferenz teilnehmen sollen, in welcher die Friedensbedingungen nach dem Krieg festgesetzt werden, und fordert, dass auch Frauen unter diesen Vertretern teilnehmen, dieser Internationale Frauenkongress beschließt die Abhaltung eines internationalen Frauenkongresses am selben Ort und zur selben Zeit, wenn die Konferenz der Mächte zur Feststellung der Friedensbedingungen tagt, um dieser praktische Vorschläge zu unterbreiten (1915).“
Gleichberechtigung in demokratischen Prozessen und im gesellschaftlichen und politischen Leben ist auch noch ein Thema, für das sich Ligafrauen z.B. im Frauen- sicherheitsrat engagieren. Die UN-Resolution 1325

Gleichberechtigte Gesellschaften sind friedlichere Gesellschaften. Frauen können auf Grund ihrer geringeren Nähe zu Waffen und ihren Fähigkeiten zum Denken und Handeln über Grenzen hinweg entscheidende Im- pulse für eine alternative Friedens- und Sicherheitsarchi- tektur geben. Auch in Zukunft muss es also heißen: „Frauen an die Friedenstische!“
3. Resolution zur allgemeinen
Abrüstung
„Da dieser Internationale Frauenkongress allgemeine Abrüstung empfiehlt und sich bewusst ist, dass diese nur durch ein internationales Übereinkommen erreicht wer- den kann, fordert er als einen Schritt zu diesem Ziel, dass alle Länder auf Grund internationalen Abkommens die Fabrikation von Waffen und Munition verstaatlichen und deren internationalen Handel unter Aufsicht stellen. Der Kongress sieht in der Ausschaltung der Privatinteres- sen an der Waffenfabrikation ein wichtiges Mittel zur Abschaffung der Kriege.“
1915 forderten sie allgemeine Abrüstung, die nur durch ein internationales Abkommen erreicht werden könne. Als einen Schritt zu diesem Ziel forderten die Frauen, dass die Fabrikation von Waffen und Munition verstaat- licht werde und deren internationaler Handel unter Auf- sicht gestellt werde. Wir wissen heute, dass auch eine staatliche Kontrolle der Rüstungsproduktion allein nicht
vor einem Handel mit Waffen in Konfliktgebiete schützt. Die BRD hat stark reglementierende Rüstungsrichtlini- en. Dennoch werden Genehmigungen unter strenger Geheimhaltung und ohne Beteiligung des Parlaments fast stets erteilt, Deutschland führt die Rüstungsexport- listen seit Jahren auf einem der vorderen Plätze an. WIL- PF International treibt die Internationale Kampagne vo- ran „You Get What You Pay For“ – Du KRIEGst wofür du zahlst“ und informiert auf der Website www.re- achingcriticalwill.org über den jeweiligen Stand diverser Abrüstungsabkommen und die Lobbyarbeit der einzel- nen Sektionen dazu. Wie unsere Gründerinnen wehren wir uns gegen die tödliche und zerstörerische Kraft der Waffen im Kriege, machen aber auch darauf aufmerk- sam, dass Rüstungsexporte auch außerhalb von Kampf- handlungen töten. Sind Schusswaffen in einem Land in meist männlicher Hand verfügbar, werden diese auch bei gewaltsamen häuslichen Konflikten gebraucht oder auch im Zusammenhang mit Frauenhandel, Zwangsprostitu- tion und sexueller Gewalt eingesetzt. Vor steigenden Zahlen von Frauen in Armut fordern wir aber vor allem, die überhöhten Militärausgaben zugunsten sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung zu reduzieren, wie es be- reits 1995 auf der UN-Frauenkonferenz in Peking be- schlossen wurde. Kurz vor der Veranstaltung veröffent- lichte WILPF das Update 2014 der Broschüre „You Get What You Pay For“ (www.wilpfinternational.org). 2013 wurden offiziell weltweit 1,747 Milliarden US-Dollar für Militärausgaben verschwendet, davon kann das reguläre Budget der UNO 650 Jahre lang bezahlt werden, das Budget für „UN-Women“ sogar 6 300 Jahre lang und der Etat der internationalen Abrüstungsorganisationen 2500 Jahre lang. Dabei ist noch nicht einmal mit einberechnet, dass Waffengeschäfte fast immer mit Korruption einher- gehen und sich dabei die Kriegstreibenden oft noch per- sönlich bereichern und ihre Macht gegen die Zivilbevöl- kerung weiter ausbauen.
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4. Resolution zur Einrichtung einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
„Dieser Internationale Frauenkongress fordert, dass die Orga- nisation einer Vereinigung der Nationen auf der Grundlage aufbauenden Friedens gestaltet werde ... diese Konferenz soll derartig organisiert sein, dass sie Grundsätze der Gerechtigkeit, Billigkeit und guten Willens aufzustellen und durchzusetzen im Stande ist, durch welche die Kämpfe unterdrückter Ge- meinwesen voll anerkannt und die Interessen und Rechte nicht nur der Großmächte und der Mittelstaaten, sondern auch der schwächeren Länder und der Naturvölker durch eine aufgeklärte öffentliche Meinung allmählich geregelt werden können.“
Die Forderungen der Frauen sind in die Gründung des Völker- bundes und später in die UNO-Charta eingeflossen. Dass in der heutigen Zeit die UNO manchmal nur als verlängerter Arm von Machtpolitik herhält, ist bedauerlich und zu kritisie- ren. Für die IFFF/WILPF als internationale Organisation ist
die UNO aber auch heute noch ein unverzichtbarer Bezugs- punkt politischen Engagements im Bereich von Menschen- rechten, Frieden, Kultur (UNESCO), Recht auf Nahrung (FAO). Die Charta selbst hat nicht an Bedeutung verloren.
In diesem Sinne tragen wir den Aufruf an die Frauen Europas von 1915 auch 100 Jahre später wieder nach Den Haag. Um nicht pessimistisch wie Lida Gustava Heymann an ihrem Le- bensende zu resignieren:
„Heute fragen wir uns, wie war es möglich, dass diese Mission ohne jeden Erfolg blieb? Es war möglich, weil damals sowohl das Kapital wie das Militär das stärkste Interesse an der Fort- setzung des Krieges hatten. Was kümmerten sie sich darum, ob ganze Völker weiter hingeschlachtet wurden, wenn ihnen nur weiterhin materieller Gewinn bzw. militärischer Ruhm in Aussicht standen! Regierungen, und selbst die demokratischs- ten der Welt, was haben sie zu sagen, wenn die Kriegsfurie ausgebrochen ist? Sie sind lächerliche, bedeutungslose Staffage, lediglich Marionetten des Kapitals und des Militarismus.“

vollständigerText:http://www.bayern.rosalux.de/fileadmin/ls_bayern/dokumente/20141215_SR_29_VeranstaltungsreiheFriedensaktivistinnen_web.pdf

Was aber gilt der erneute Aufruf „Women’s power to Stop war"???, wenn er die Frage nach den aktuellen Kriegsszenerien ausblendet und die Frage nach den Ursachen all der Kriege nicht mehr stellt, fragt die Bloggerin.

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