Wednesday, April 16, 2014

"Kiewer Sturm auf das Donbass bleibt stecken" meint die Tageszeitung Junge Welt

Panzer gestoppt

Kiewer Sturm auf das Donbass bleibt stecken. Armee weigert sich, auf eigenes Volk zu schießen. Rathaus in Donezk von Demonstranten besetzt

Von Reinhard Lauterbach 17.04.2014 / Titel  JW/ Seite 1
Panzerbesetzung: Ukrainische Soldaten am Mittwoch in der Stadt K
Panzerbesetzung: Ukrainische Soldaten am Mittwoch in der Stadt Kramatorsk auf ihrem Kriegsgerät
Die »Antiterroroperation« der Kiewer Machthaber im Donbass ist am Mittwoch ins Stocken geraten. Nachdem Eliteeinheiten der Junta am Dienstag den Flughafen der Stadt Kramatorsk gestürmt hatten, stoppten mehrere hundert Einwohner am Mittwoch morgen eine Kolonne aus sechs Panzern und Mannschaftstransportern der ukrainischen Armee. Nach einiger Zeit, während derer die Blockierer »Die Armee ist mit dem Volk« riefen, gaben die Panzerbesatzungen unter lauten Beifallrufen der Einwohner ihre Fahrzeuge auf. Auf einem Youtube-Video aus Kramatorsk ist zu hören, wie eine Frau den Soldaten zuruft: »Jungens, wir lieben euch« und »Wir sind das Volk der Ukraine«. Eine Männerstimme dagegen kommentierte: »Panzer können wir jetzt gebrauchen.« Über der Szene kreiste ein ukrainischer Militärhubschrauber.

Die in Kramatorsk gestoppten Panzer setzten anschließend russische Fahnen und patrouillierten durch die Stadt. Ähnliche Aufnahmen gibt es auch aus dem benachbarten Slowjansk. Der Kiewer Vize-Regierungs­chef Witali Jarema erklärte, genau zu wissen, daß es sich bei den Panzerbesatzungen um russische Soldaten eines 45. Sonderregiments aus Kupjanka bei Moskau handle. Später erklärte einer der »russischen« Soldaten der Nachrichtenagentur Reuters, seine Kameraden und er gehörten zur 25. Luftlandebrigade aus Dnipropetrowsk und würden nicht auf das eigene Volk schießen. Die Einheit hatte schon im Februar einen Befehl zum Einsatz gegen den Maidan verweigert.


Die Kiewer Propaganda wird angesichts dessen immer konfuser. Nach der Blamage von Kramatorsk dementierte das Verteidigungsministerium zunächst, daß der Vorfall stattgefunden habe. Dann meldete sich ein Abgeordneter der Timoschenko-Partei »Vaterland« mit der Aussage, die neuen Panzerfahrer unter russischen Fahnen seien in Wahrheit ukrainische Partisanen, die einen Sonderauftrag gegen die »Separatisten« ausführten. Später am Nachmittag bestätigte das Innenministerium der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, daß die Demonstranten die sechs Panzer »in ihre Gewalt gebracht« hätten. Der Leiter der Rathausbesetzung in Gorliwka, den die Kiewer Medien tagelang als »russischen Oberstleutnant« aus Simferopol bezeichnet hatten, wurde derweil von einem Nachbarn als örtlicher Beerdigungsunternehmer identifiziert. Nächste Sprachregelung der Maidan-Medien: Der Mann sei eine »lokale kriminelle Autorität«. Wenn schon nicht Russe, dann wenigstens Verbrecher. Unterdessen besetzten Aufständische zusätzlich das Rathaus in Donezk und sperrten eine Bahnlinie bei Kramatorsk.


Offenbar unzufrieden mit dem Fortgang der Militäraktion gegen das eigene Volk, entließ »Übergangspräsident« Olexander Turtschinow den Befehlshaber der Truppen des Innenministeriums. Auf einer Parlamentssitzung hinter verschlossenen Türen wurde nach Angaben des Maidan-nahen Portals Ukrainskaja Prawda ein Vorschlag der nationalistischen »Swoboda«-Partei diskutiert, die Wehrpflicht in der Ukraine wieder einzuführen und militärische Trainingslager für Freiwillige zu schaffen. Das scheint der Versuch zu sein, das Personal mit fanatisierten Nationalisten aufzufüllen. Der amtierende Verteidigungsminister Michail Kowal jedenfalls erklärte den Abgeordneten am Mittwoch, die Einführung des Ausnahmezustandes sei nicht nötig. Die Armee wisse, was sie zu tun habe.

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