Sunday, April 20, 2014

Jazenjuk made in USA


Erschienen in Ossietzky Nr. 9 2014
Jazenjuk made in USA
von Werner Rügemer
Kein Staat hat so viel Übung im Bruch des Völkerrechts und der Verletzung von Menschenrechten wie die USA. Hat jemand schon mal die demokratisch gewählten Regierungen gezählt, die von US-Army, CIA und Medien gestürzt wurden, mithilfe inszenierter Vorfälle und lügenhafter Begründungen? Wer hat die Diktatoren und ihre Clans gezählt, die besonderen Schutz der USA genossen und genießen? „Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn“, sagte der damalige US-Präsident Franklin Roosevelt, als der selbsternannte demokratische Vorbildstaat in Kuba Diktator Batista installierte, um das US-Mafia- und Konzernparadies auf der karibischen Insel gegen nationale kubanische Interessen zu schützen.
Heute werden mehr die Schlagworte Demokratie und Menschenrechte hervorgekehrt, um Demokratie und Menschenrechte zu verletzen. Dazu haben die USA und ihre Vasallen die Methoden verfeinert und beziehen zusätzliche, zivil agierende Hilfstruppen mit ein.
Beispiel Arseniy Jazenjuk, seit 27.2.2014 in die Regierung geputschter Ministerpräsident der Ukraine. Dabei halfen auch rechtsradikale, nationalistische, rassistische, antisemitische, antidemokratische Fußtruppen mit. Der Putsch wurde lange vorbereitet, unsichtbar für die Protestler auf dem Maidan. Auch die Ukrainer, die gegen die westlich aufgeholfenen Oligarchen protestierten, wussten davon nichts. Das erpresserische Verhalten der Europäischen Union im Zuge ihrer panischen Ost-Erweiterung spielte nur als Auslöser eine Rolle.
Schon Jahre zuvor gründete der Banker Jazenjuk die Open Ukraine Foundation, im Untertitel Arseniy Jazenjuk Foundation genannt. Er folgte dem US-Handbuch für „demokratische Revolutionen“. Die USA lieben eigentlich keine richtigen und vernünftigen Revolutionen, organisieren aber „demokratische“, „bunte“, „orangene“ und ähnliche „Revolutionen“, wenn sie den Herrschaftsbereich der einzig verbliebenen, außer Kontrolle geratenen Supermacht erweitern helfen.
Foundation, Stiftung – das klingt wohltätig, selbstlos, neutral. Sie braucht aber auch Geld. Dafür bot sich als Sponsor für die Open Ukraine Foundation die Renaissance Foundation des Großspekulanten und Kapitalismus-Auswüchse-Kritiker George Soros an. Er hatte schon der Oligarchin Julia Timoschenko bei der „orangenen Revolution“ in die Regierung verholfen. Als Sponsoren für die westkapitalistische Öffnung der Ukraine stießen Horizon Capital und Swedbank dazu. Horizon ist ein Private Equite Fund, der nach der „Heuschrecken“-Methode mittelständische Unternehmen in der Ukraine, in Weissrussland und Moldawien aufkauft, profitabel macht („Abschöpfung bisher unverwirklichter Profite“), weiterverkauft und neue Opfer sucht. Swedbank, eine große schwedische Bank, fasste nachsozialistisch in den baltischen Staaten Fuß und würde sich gern in weiteren osteuropäischen Staaten festsetzen. Als weiterer Sponsor und als Stütze in der Ukraine selbst ist der Oligarch Victor Pinchuk eingebunden.
Zu Jazenjuks Stiftung gehört als internationale strategische Beratung Chatham House. Diese Stiftung, entstanden aus dem britischen Rat für außenpolitische Fragen, ist ein global tätiger Think Tank mit Sitz in London. Über 300 Konzerne und Banken sind Mitglieder. Er arbeitet mit anderen Stiftungen wie der Rockefeller-Foundation, der Bill & Melinda Gates Foundation und der Adenauer-Stiftung ebenso zusammen wie mit der NATO und der Europäischen Union. Auch die US-Regierungsstiftung National Endowment for Democracy (NED) trägt zur Öffnung der Ukraine bei, etwa mit Stipendien und Medienhilfen.
Für die übergeordnete Steuerung sind das US-Außenministerium sowie die NATO über ihr Information and Documentation Center zuständig. Der German Marshall Fund zielt mit seinem Black See Trust for Regional Cooperation auf das für die NATO so wichtige Schwarze Meer.
So werden moderne Putsche vorbereitet, jedenfalls wenn sie in halbwegs demokratischer Umgebung stattfinden sollen. Globalstrategen, Banker, Professoren bilden einen Verbund mit ihren Hurensöhnen, mit spontan protestierenden Bevölkerungen und dumpfen, rechtsradikalen Fußtruppen. Vergessen wir in diesem Zusammenhang die katholische Kirche nicht. Sie gehört zwar nicht zur Open Ukraine Foundation. Aber sie ist mit ihrer Stiftung Renovabis (Psalm 104 „renovabis faciem terrae“ = „Ihr werdet das Gesicht der Erde verändern“) seit vielen Jahren auch in der Ukraine aktiv, gründet Bistümer und alimentiert katholische Gemeinden. Auf dem Maidan segneten katholische Priester in voller Montur und erhobenem Kreuz die Protestierenden.
Der von der Adenauer-Stiftung und den deutschen Großmedien als zukünftiger ukrainischer Regierungschef aufgebaute Boxweltmeister Klitschko war zwar gut für die Mobilisierung von Fußtruppen auf dem Maidan, hatte aber im Machtkartell keine Chance. Er bekam die Arschkarte. Das US-Außenministerium steuerte die Inthronisation von Jazenjuk, drastisch und klar kommentiert von der US-Ministerialdirektorin Victoria Nuland, zuständig für Europa: Fuck the EU, scheiß auf die EU.
Die deutsche Bundesregierung mit Kanzlerin Merkel an der Spitze und auch jemand in der Europäischen Union moserten zwar, ein solcher Ausdruck sei „nicht akzeptabel“, gaben sich aber mit Methode und Ergebnis des Putsches unterwürfig zufrieden. Sie nehmen den Schaden für deutsche und andere europäische Unternehmen und Arbeitsplätze in Kauf. „Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“, war ihr Schwur.
Klitschko kann uns egal bleiben. Aber: Mensch Leute, Mitmenschen, Bürgerinnen und Bürger in Europa: vom wem wollen wir uns eigentlich weiter regieren und beherrschen lassen?

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