Zur
Erinnerung blättern wir zurück im „Bund“ aus Bern (und zweimal
in der NZZ)
4.12.2013:
„Soeben hat die Janukowitsch-Mehrheit im Parlament ein Gesetz
verabschiedet, das Klitschkos Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl
2015 gefährden könnte. Zur Wahl antreten darf demnach nur, wer seit
mindestens zehn Jahren in
der Ukraine Steuern gezahlt
hat. Der Weltstar Klitschko
zahlt in Hamburg,
wo sein Boxstall beheimatet ist.
11.12.2013:
Angebote des Präsidenten zu Gesprächen
am runden Tisch
lehnte
Oppostionsführer Arseni Jazenjuk
gestern kategorisch ab.
21.1.2014:
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew sah es gestern Morgen aus wie
im Krieg:
ausgebrannte Busse, umgestürzte Autos, brennende Barrikaden,
rauchende Abfallcontainer. Nach der friedlichen Demonstration vom
Sonntag, an der erstmals im neuen Jahr wieder rund Hunderttausend
Menschen teilgenommen hatten, griffen
Dutzende
gewaltbereite Demonstranten die Polizei an.
Sie schlugen mit Stöcken und Ketten auf die Ordnungshüter ein, die
sich unter ihren Metallschildern wie in einem Häuschen zu
verschanzen suchten. Die
total vermummten
und mit Gasmasken ausgerüsteten Angreifer
warfen Benzinbomben und Pflastersteine, die sie ausgegraben hatten,
in die Reihen der Polizei, die beharrlich die Stellung hielt. Die
Sicherheitskräfte feuerten sporadisch Tränengas und Blendraketen
ab, was zu Verletzten auch unter Journalisten führte, gingen aber
nicht zum Gegenangriff über. (...) Militante verteilten Schlagstöcke
an Demonstranten.
Bereits im
Dezember waren
radikale Regierungsgegner am Rande eines friedlichen Massenprotests
mit Gewalt auf die Polizei losgegangen. Offenbar waren am
Sonntagabend wieder die gleichen Kräfte am Werk, diesmal jedoch
weit zahlreicher. Opposition
und Regierung sind sich weitgehend einig,
dass
radikale nationalistische Schläger die Gewaltorgie ausgelöst haben.
(...) Oleg Tjagnibok und Dmitro Kortschinski „verfügen über
Schlägertrupps, deren Embleme zum Teil bei den Ausschreitungen zu
sehen waren und die offen von
einem Krieg gegen die Regierung
reden. Unter den Angreifern waren zudem Neonazis und
Fussballhooligans.
23.1.2014:
Präsident Wiktor Janukowitsch rief das Land derweil zur Ruhe auf.
(...) Er kam gestern Nachmittag mit den Anführern der Demonstranten,
Witali Klitschko, Arseni Jazenjuk und Oleg Tjagnibok, zu
einem mehrstündigen Treffen
zusammen.
Über den Inhalt verlautete zunächst nichts. (...) Der Chef der
nationalistischen Swobodapartei,
der zumindest ein Teil dieser radikalen Schläger angehört, rief
vielmehr zur
entscheidenden Schlacht
auf. „100-prozentige Mobilmachung im ganzen Land. Alle nach Kiew,
alle auf den Maidan!“, erklärte Oleg Tjagnibok. Heute entscheidet
sich endgültig das Schicksal des Landes.“
24.1.2014:
Doch nun sind es
nicht mehr Hunderttausende von friedlichen Demonstranten, die
den Protest anführen,
sondern eine kleine Gruppe
gewaltbereiter Schläger.
(...) Am Sonntag Abend hatte sich der gemässigte Oppositionsführer
Witali Klitschko noch todesmutig zwischen die Fronten gestellt. Mit
einem Megafon rief er die Demonstranten zur Gewaltlosigkeit auf. Sie
haben ihn ausgepfiffen. Inzwischen
unterstützt auch Klitschko die
gewaltbereite
Fraktion der Demonstranten
und erklärt, er werde die Demonstranten in den Kampf führen, wenn
Janukowitsch nicht zurücktrete. Sein Kollege Arseni Jazenjuk sagt,
er wolle lieber eine Kugel in den Kopf, als von diesem Ziel
abweichen.
24.1.
(anderer Artikel): Vertreter
der radikalen Demonstranten, die an den Strassenschlachten mit der
Polizei an vorderster Front beteiligt sind, warnen vor einem
Bürgerkrieg, falls die Sicherheitskräfte sich nicht zurückziehen.
„Das
wird ein Massaker werden. In der Ukraine wird ein Guerillakrieg
beginnen“, sagte
Andrei Tarasenko laut einem Bericht von Radio Free Europe. Tarasenko
ist der Koordinator einer Gruppe namens Rechter Sektor (Pravi
Sektor), zu der sich nationalistische Organisationen zu
Beginn des Massenprotests
zusammengeschlossen haben.
27.1.2014:
Die
Anführer der Opposition
haben sich von dieser Gewalt bisher nicht
distanziert. Im
Ausland ist daher der Eindruck entstanden, Schlägerbanden hätten
den Maidan „gekapert“.
NZZ
vom 8.2.2014: Das
State
Department dringt
mit aller Kraft darauf, die Restauration der Verhältnisse
vor der orangen
Revolution
durch Präsident Wiktor Janukowitsch und dessen Mentor im Moskauer
Kreml zurückzudrängen, und zweifelt daran, dass die EU
in der Lage ist,
zu diesem Zweck genügend Härte zu zeigen.
19.2.2014:
Die letzten Wochen
waren relativ ruhig verlaufen, in den letzten Tagen waren sogar
Anzeichen
von Entspannung
auszumachen. Am Sonntag hatten die Demonstranten unter
internationaler Vermittlung einige besetzte
Gebäude freigegeben
und so teilweise die Bedingungen des Regimes für eine Amnestie
erfüllt. Die Behörden ihrerseits hatten Ende letzter Woche alle
verhafteten
Demonstranten
freigelassen.
Bagger räumten grosse Teile der über Wochen erbauten Barrikaden ab,
blockierte Strassen wurden wieder dem Verkehr übergeben.
Umso
heftiger waren die neuerlichen Zusammenstösse. Die Demonstranten
durchbrachen eine Absperrung vor dem Parlament, stürmten die
Parteizentrale der regierenden Partei der Region und zündeten
das Gebäude an.
Am Abend wurde das Kiewer
Rathaus wieder besetzt.
Zudem wurde das Offiziershaus der Armee gestürmt. Die Streitkräfte
reagierten verärgert. Sie hatten sich bisher aus dem Konflikt
herausgehalten.
20.2.2014:
Unter den Toten
ist auch ein russischer Journalist, den Vermummte aus
einem Taxi gerissen und erschossen
haben. (...) Die Demonstranten hätten bei den neusten Unruhen
mindestens 1500 Schusswaffen erbeutet. (..)
Merkel
empfing am Montag Klitschko und
seinen Verbündeten, den ukrainischen Oppositionellen Arsenii
Jasenjuk.
Die konservative „Bild“-Zeitung
feiert derweil den
Ex-Boxer seit Wochen als Helden von Kiew. Der Chef-Reporter des
Blattes begleitet ihn auf Demonstrationen, bei Besuchen von
verletzten Aktivisten im Spital oder an die Münchner
Sicherheitskonferenz.
NZZ
vom 21.2.2014: Alles
ist anders geworden. Auch die Demonstranten sind nicht mehr die
gleichen. Sie haben sich ausgerüstet, sie kämpfen bis zum Letzten,
und unter ihnen gibt es zahlreiche
höchst degoutante Typen,
Vertreter der nationalistischen Partei „Swoboda“ und
Rechtsextreme, denen man ohne weiteres zutraut, dass sie auf
Polizisten schiessen.
Und im Vergleich zu den riesigen, sachkundig errichteten Barrikaden
von heute sind die damaligen ein Witz.
(...)
Der Janukowitschs Partei angehörende Gouverneur der Region Lwiw,
Oleh Salo, wurde
vor Fernsehkameras
gezwungen,
handschriftlich ein Rücktrittsgesuch zu verfassen.
22.2.2014:
Während der drei
Monate (...) hat sich eine dritte Kraft etabliert: der sogenannte
rechte
Sektor, dem
rechtsradikale Gruppierungen angehören. Sie waren es, die mit Ketten
auf Uniformierte einprügelten, mit einem Bulldozer in Polizeireihen
rasten, Verwaltungsgebäude besetzten und die Gewaltbereitschaft
anheizten. Sie bezeichneten das Abkommen gestern unumwunden als
„Augenwischerei“ – die „nationale Revolution“ gehe weiter.
Die Radikalen wollen mitbestimmen bei der Ausgestaltung einer neuen
Ukraine. Dies umso
mehr, als sie nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass
Janukowitsch nachgeben musste.
25.2.2014:
Es wird nun zu
einer Hexenjagd kommen,
viel umfassender als jene nach dem Scheitern von Timoschenko und
Juschtschenko. Jetzt kommen ja auch nicht gerade lauter honorige,
anständige Leute an die Macht.
1.3.2014:
Die Symbole des
„Rechten Sektors“ sind verschwunden, die Politiker der
rechtspopulistischen Partei Swoboda
haben Kreide gefressen
und geben sich als liberale Europafreunde. Offenbar sind sie der
Meinung, dass ein pro-europäischer Kurs derzeit sogar bei ihren
Wählern besser ankommt als dumpfe nationalistische Parolen. (...)
Aber
dann gibt es Hunderte, vielleicht Tausende junge Männer, die den
Maidan verteidigten und ihn heute in Tarnuniformen mit
Baseballschlägern in der Hand kontrollieren. Sie
sind militärisch in Einheiten organisiert, haben einen Stab und
Kommandanten.
(...) Die neue Regierung versucht, sie in die bestehenden
militärischen Strukturen einzugliedern. Der
Führer des Maidan, Andrej Paruby, wurde zum Leiter des Nationalen
Sicherheitsrats ernannt, der Führer des „Rechten Sektors“,
Dmitro Jarosch, zu seinem Stellvertreter.
No comments:
Post a Comment