Saturday, November 9, 2013

"Israel mit dem Rücken zur Wand", Werner Pirker, Junge Welt


09.11.2013 / Ansichten / Seite 8Inhalt

Mord mit Ansage

Israel mit dem Rücken zur Wand

Werner Pirker


Mit Vehemenz betätigt sich Israels Ministerpräsident Netanjahu als Quertreiber gegen eine Einigung im Atomstreit des Westens mit dem Iran. Dies wäre ein historischer Fehler. Israel fühle sich deshalb auch nicht verpflichtet, sich an ein Abkommen zu halten, sagte er vor seinem Treffen am Freitag mit US-Außenminister Kerry in Tel Aviv. Das bedeutet, daß die israelische Führung auf »Teufel komm raus« an der militärischen Option im Konflikt um den Iran festhalten will. Doch das wird ohne Unterstützung durch die USA nicht möglich sein. Käme ein Deal des Westens mit Teheran tatsächlich zustande, stünde die Regierung Netanjahu vor den Trümmern ihrer Politik. Denn diese baute auf das Zustandekommen eines Kriegsbündnisses gegen den Iran. Wird einem solchen durch ein Abkommen zur Beendigung des Atomstreites der Boden entzogen, könnte es ziemlich einsam werden um Israel.


Entsprechend gereizt reagiert Netanjahu auf die sich zuungunsten des zionistischen Staates verändernde Situation. Zuerst der »arabische Frühling«, der Israels privilegierte Stellung als »einzige Demokratie« in Nahost in Frage zu stellen schien. Dann der amerikanische Rückzieher gegenüber Syrien, als Israel die Chance sah, den historischen Feind aus dem Weg zu räumen. Und nun auch noch die Annäherung zwischen dem Westen und Iran. Dazu die ständige Kritik am israelischen Siedlungsbau in Ostjerusalem und im Westjordan­land. Und dann kommen auch noch irgendwelche Schweizer und behaupten, daß Palästinenserführer Jassir Arafat im Oktober 2004 einem Giftanschlag zum Opfer gefallen sein könnte.


Ein Forschungsteam hat in der Tat ungewöhnlich hohe Mengen des radioaktiven Stoffs Polonium in Arafats sterblichen Überresten konstatiert, ohne sich auf eine absichtlich herbeigeführte Vergiftung festzulegen. Doch das genügte, um israelische Regierungsvertreter unbeherrscht wie ertappte Giftmörder reagieren zu lassen. Die Forscher wurden als Almdeppen und die Untersuchungsergebnisse als »löchrig wie ein Schweizer Käse« hingestellt.


Es sind indes im Laufe der letzten Jahrzehnte zu viele Fälle israelischer Staatskriminalität, darunter laufend durchgeführte außergerichtliche Exekutionen, bekanntgeworden, um Arafats qualvolles Sterben nicht als äußerst verdächtig erscheinen zu lassen. War es Mord, dann einer mit Ansage. Nach dem Scheitern einer Friedenslösung zu amerikanisch-israelischen Bedingungen ist der Palästinenserpräsident von der israelischen Führung zum Abschuß freigegeben worden. Es bestand die Wahl zwischen freiwilligem Exil, Verbannung und Liquidierung. Der rapide Verfall des PLO-Führers nährte den Verdacht, daß er nicht auf natürliche Weise ums Leben gekommen ist.


Tel Aviv ist bisher noch für keine seiner ungezählten extralegalen Hinrichtungen zur Verantwortung gezogen worden. Das wäre wohl auch im Fall einer zweifelsfrei erwiesenen Ermordung Arafats durch seine Dienste so. Um Israels Ansehen hingegen steht es so schlecht wie noch nie.

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