Die drohenden NATO-Angriffe auf Syrien kommen nicht überraschend. Experten warnen schon lange davor, dass regierungsfeindliche Kräfte mit Hilfe ausländischer Geheimdienste versuchen werden, das Militärbündnis durch einen der syrischen Armee untergeschobenen Einsatz von Giftgas zum direkten Eingreifen zu bewegen beziehungsweise einen geeigneten Vorwand dafür zu liefern.
Erste mörderische Versuche gab es bereits im Dezember und März. Sie scheiterten nicht daran, dass UN-Experten zu dem Schluss kamen, dass die Giftstoffe sehr wahrscheinlich von »Gegnern des Regimes« eingesetzt wurden. Sie scheiterten daran, dass Washington zunächst weiter auf die Aufrüstung der Aufständischen setzte. Nachdem diese in den vergangenen Wochen aus strategisch wichtigen Gebieten verdrängt wurden und die syrischen Streitkräften weiter auf dem Vormarsch sind, scheint die US-Führung jetzt ein direktes Eingreifen für notwendig zu halten.
Der Versuch der USA, Frankreichs, Großbritanniens, der Türkei und der Golfmonarchien die syrische Regierung, durch einen Stellvertreterkrieg in- und ausländischer Kämpfer zu stürzen, ist gescheitert. Offensichtlich hat das säkulare System, für das Präsident Baschar al-Assad steht, mehr Rückhalt als im Westen dargestellt wird. Auch wenn sich die meisten Syrer weitere demokratische und soziale Reformen wünschen, als zu Beginn der Proteste gewährt wurden, die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter Assad oder lehnt zumindest seinen Sturz ab.
Solange die regierungsfeindlichen, überwiegend islamistischen Milizen ausreichend mit Nachschub an Geld, Waffen und Kämpfern versorgt werden und in der Türkei und Jordanien über ein sicheres Hinterland verfügen, kann die syrischen Armee sie nicht endgültig besiegen. Da sie zwangsläufig weite Gebiete den diversen, zum Teil rivalisierenden aufständische Kräften überlassen muss, droht das Land auseinanderzubrechen.
Der Konflikt in Syrien ist im Kern kein Bürgerkrieg, sondern eine ausländische Intervention mit der Absicht, den wichtigsten Verbündeten der Regionalmacht Iran auszuschalten. Von Beginn an wurden die im März 2011 einsetzenden Demonstrationen für demokratische Reformen von Anschlägen bewaffneter Gruppen begleitet, die eine Eskalation der Auseinandersetzungen herbeiführen wollten. Von Anfang an erhielten diese Militanten Unterstützung von außen. Das Ziel war der Sturz des syrischen Regimes – und das um jeden Preis.
Jeder Ansatz für eine politische Lösung wurde daher konsequent torpediert. Alle Verhandlungsversuche scheiterten, weil die Aufständischen und ihre ausländischen Förderer auf den Rücktritt der Regierung – d. h. auf ihre Kapitulation – als Vorbedingung für Gespräche bestanden. Jede vereinbarte Feuerpause wurde unterlaufen, indem immer größere Kontingente an Waffen und Kämpfer ins Land geschleust wurden.
Der einzige Weg zur Beendigung des Krieges liegt nach wie vor in Verhandlungen unter Beteiligung aller relevanten syrischen Kräfte. Um zu einer Lösung zu kommen, muss die Regierung die veränderten Realitäten wie zum Beispiel den erreichten Grad an Autonomie der Kurdenregion akzeptieren, während die oppositionellen Gruppen, die an einem Ende der Kämpfe interessiert sind, hinnehmen müssen, dass sie nur eine Minderheit vertreten und eine Stabilisierung des Landes ohne die amtierende Regierung nicht möglich ist.
Frieden kann es jedoch erst geben, wenn die NATO-Mächte und ihre arabischen Verbündeten die Umsturzbemühungen einstellen. Vor allem müssen die militärische und politische Unterstützung der regierungsfeindlichen Milizen beendet, deren Basen in der Türkei geschlossen und die britischen, französischen und US-amerikanischen Spezialeinheiten aus der Region abgezogen werden. Die Aussichten dafür sind indes trübe, die Entwicklung geht in Richtung einer weiteren Eskalation.
Die Syrer können dem nur entgegenwirken, indem sie durch eine Isolierung der auf einen Umsturz zielenden Kräfte der Intervention von außen jegliche Legitimationsmöglichkeit nehmen. Um sie zu stoppen ist jedoch eine breite Bewegung in der westlichen Öffentlichkeit gegen die Kriegspolitik der NATO erforderlich. Dazu müssen Friedensbewegung und Linke endlich – unabhängig von den unterschiedlichen Einschätzung der innersyrischen Verhältnisse – erstens die äußere Aggression gegen das Land am Mittelmeer als solche benennen und zweitens deren Beendigung zu ihrem Hauptziel machen.
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