Tuesday, May 7, 2013

Die ersten Maitage in Istanbul 2013: Hoffnungsgrün für Völkerfreundschaft


Trotz Kriegsalarm und alledem:
Hoffnungsgrün begleitet die ersten Maitage in Istanbul 2013

“Die Völker wollen Frieden” - mit diesem Konferenz-Motto wird am 26.04. 2013 die diesjährige Mai-Saison in Istanbul eröffnet. Die türkische Friedensgesellschaft (Baris-Dernegi) und der Weltfriedensrat hatten für mehrere Tage lang Persönlichkeiten und Verbände aus Europa, den USA und vor allem aus dem Nahen und Mittleren Osten eingeladen, um den Aggressionen gegen das Nachbarland Syrien argumentativ noch besser entgegentreten zu können. Frau Professor Majorie Cohn aus San Diego, Kalifornien, Vorstandsmitglied des Weltbundes Demokratischer Juristen, betonte die Illegalität und Völkerrechtswidrigkeit bewaffneter Interventionen im Namen der Menschenrechte. Sie verurteilte die Idee des von außen angestachelten “Regimewechsels” als unvereinbar mit der Internationalen Konvention zum Schutz ziviler und humanitärer Rechte und fand scharfe Worte gegen das heuchlerische Schutzkonzept unter der Formel “R2P”. Keine Schutzverantwortung der Welt rechtfertige im Rahmen der UN-Charta eine bewaffnete „humanitäre Intervention“. Der vormalige US-Präsidenten Bush junior habe schon 1999 folgendermaßen ausgedrückt, worum es in Wirklichkeit gehe: “Wir müssen überall in der Welt unsere Produkte absetzen können, darum dreht sich dieses Kosovo-Ding”. Diese Zielsetzung läge auch allen nachfolgenden Interventionskriegen zugrunde. Beim bereits zwei Jahre anhaltenden kriegerischen Geschehen in Syrien gehe es ebenfalls um geostrategische Interessen. Man möge auf die Worte der US-Präsidenten ruhig genau achten. Sicherung von Absatzmärkten und Profitmargen und keinesfalls Menschenrechte seien das Ziel ihrer Politik. Die schwedische Buchautorin Agneta Norberg sekundierte, aus einem US-Handbuch zitierend, das Anleitungen für die Anheizung ziviler Proteste in unbotmäßigen Ländern liefert. Die einkalkulierte Gegenwehr und deren mögliche  Opfer zögen dann den Ruf nach humanitärer Intervention nach sich. Manfred Ziegler, der aus Frankfurt angereiste Software Ingenieur, Vertreter einer Syrien-Solidaritäts-Initiative, unterstrich in diesem Sinne: “Ausländische Interventionen erwürgen die Demokratie“.

Die internationale Konferenz im repräsentativen Hörsaal der Petrol-Is, der Gewerkschaft der ölverarbeitenden Industrie, erhielt schon am Vortag professionelle Unterstützung aus anderen wichtigen Berufszweigen. Der Präsident der Istanbuler Anwaltskammer unterstrich gegenüber den internationalen Gästen seine Solidarität mit dem Anliegen der Baris-Dernegi mit einem Zitat des Begründers der modernen Türkei, Kemal Atatürk: „Frieden nach innen und Frieden nach außen“. So laute der alte Grundsatz türkischer Politik. Dieser werde durch den neuerlichen Aggressionskurs der AKP geführten Regierung Erdogan sträflich verletzt. Demgegenüber betonte der Vertreter des Berufsstandes der Juristen, Professor für Rechtswissenschaft, das „Heilige Recht auf Selbstverteidigung“, das selbst den Sklaven im Alten Rom nicht vorenthalten worden sei, müsse hochgehalten werden. Die aggressive Haltung gegenüber dem Nachbarland Syrien reflektiere allerdings ganz und gar nicht die Haltung des türkischen Volkes. Jene internationalen  Marodeure, die in Syrien Massaker begehen, die das türkisch-syrische Grenzgebiet unsicher machten, müssten völkerrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Ihnen dürfe  keine  Unterstützung zuteil werden, meinten auch andere engagierte Verteidiger der Menschenrechte im Haus der Anwaltskammer in Istanbul-Kadeköy. Sie sprachen auch für 38 ihrer Kollegen, die derzeit selbst für menschenrechtliches Engagement hinter Gittern sitzen und für deren Rechte  sich der Berufsverband mit aller Entschiedenheit einsetzt. 

Professor Dr. Taner Gören, als Vertreter der Istanbuler Ärztekammer, bezieht sich auf die WHO Definition von Gesundheit, aus der unter anderem die Verpflichtung für Ärzte erwachse, sich sozialpolitisch zu engagieren. Genauso wenig wie ein menschliches Leben ohne Wasser und ohne eine gesunde Umwelt existieren könne, genauso wenig sei der neoliberale Kapitalismus ohne Sozialabbau und Krieg lebensfähig. Der hippokratische Eid sei ihnen daher Verpflichtung auch zum Engagement für den Frieden, unterstreicht auch Frau Professor Dr. Zuhal Okuyan vom Baris-Dernegi aus Izmir, die die Konferenz im Stadtteil Kadiköy eröffnete. Die Vorsitzende des Weltfriedensrates, Frau Soccorro Gomez, ehemalige Justizministerin im brasilianischen Bundesstaat Amazonien, betonte die Dringlichkeit der Solidarität gegenüber jenen Völkern, die unter den imperialistischen Kriegen von heute zu leiden haben. Was der souveränen Nation Syrien heute widerfährt, was Libyen gestern erdulden musste, kann morgen der Türkei und übermorgen anderen Nationen blühen. Dagegen müssen wir als bewusste Staatsbürger unsere Stimme geltend machen, wissend, dass wir die Interessen der Weltbevölkerung vertreten. Der Brite Dave Webb vom Global Network Against Nuclear Weapons in Space warnte vor dem Missbrauch derWeltraumtechnologie und betonte, dass unter anderem die hinterhältigen Drohnen durch Satellitenkontrolle manövriert würden. Es gelte derartige „Verteidigungssysteme“ völkerrechtlich zu ächten und auch damit der imperialistischen Kriegsstrategie einen Riegel vorzuschieben. Wir müssten vor allem interdisziplinär zusammen arbeiten und die fatalistische Vorstellung aufgeben, dass Gewalt unaufhaltsam sei. Der Schutz der Umwelt, die Verteidigung der Menschenrechte, die Verteidigung des Friedens erfolge durch Kooperation und dadurch, dass bewusste Bürger zusammen stünden. Notfalls  müsste man der Regierungspolitik durch einen gemeinsamen Aufschrei die Schranken weisen. Die Molekularbiologin Cathy Goodman vom US-amerikanischen Friedensrat zitierte ausführlich aus dem von ihrem Verband vorgelegten Strategie-Papier und meinte „Das Schweigen der Friedensbewegung angesichts der imperialistischen Aggression gegenüber Syrien, dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika ist ungerechtfertigt und unhaltbar“. Auch sie unterstrich, dass es um Geostrategie geht und nicht um etwaigen Schutz von Menschenrechten.
5 Tage lang hatten die ausländischen Gäste Gelegenheit sich unter anderem im Gespräch mit Parlamentsabgeordneten, mit Gemeindebürgermeistern, mit Vertretern von Berufsverbänden und Gewerkschaften sich  davon zu überzeugen, wie stark der Friedenswille innerhalb der türkischen Gesellschaft verankert und wie lebendig demokratisches Engagement dort ist. In der 50 000 Einwohner fassenden Stadt Antakya, dem antiken Antiochia, in der Grenz-Provinz Hatay, konnten die Delegierten vor Ort spüren, wie stark der Widerstandswille in der Region gegen die Umtriebe der „syrischen Rebellen“ ist, die auch auf der türkischen Seite der Grenze bereits die Bevölkerung einschüchtern. Das einst rege Wirtschaftsleben der Tourismus- und Handelsmetropole ist fast völlig zum Erliegen gekommen. Die Grenze wird von den „Rebellen“ kontrolliert, Grenzgänge zu den jenseits wohnenden Verwandten sind lebensgefährlich geworden. Die „Rebellen“ bedienen sich schon mal der Hotel-und Restaurationsangebote und verweisen mit vorgehaltener Pistole darauf, dass der Gouverneur die Rechnung begleichen werde. Die Arbeitslosigkeit ist auf Grund des darniederliegenden informellen Sektors in die Höhe geschnellt.
Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate veranstalteten die Friedenskräfte hier ein großes Antikriegsfestival. 5000 Menschen aus allen Altersgruppen waren gekommen, um den populären türkischen Musikern, Sängern, Schauspielern einen jubelnden Empfang zu bereiten. Wie politisch ihr Anliegen war, spürten man vor allem bei den Worten des syrischen Anwalts Adel Omar, der als einziger syrischer Gast von jenseits der Grenze, wo sein Heimatort liegt, die Reise in die Türkei gewagt hat. Das Mitglied der syrischen Anwaltskammer wurde wie ein Held gefeiert.
 Ob der Folk-Sänger Yasar Aydin mit seiner Band, ob die Sängerin Ilky Akkaya, ob Edip Akbayran, der Musiker, ob die Großmütterchen vom Lande oder die städtische Jugend, sie alle eint die gemeinsame Tagesbotschaft: Stoppt die Aggression gegen Syrien – für echte Völkerfreundschaft und Solidarität mit unseren Nachbarn!

Mögen sie alle den Grundgedanken unseres großen Poeten Bert Brecht, den der Schauspieler Metin Coslem zitierte, nicht vergessen:

GENERAL, DEIN TANK IST EIN STARKER WAGEN.


Er bricht einen Wald nieder und zermalmt hundert Menschen.

Aber er hat einen Fehler:

Er braucht einen Fahrer.



General, dein Bomberflugzeug ist stark.

Es fliegt schneller als ein Sturm und trägt mehr als ein Elefant.
Aber es hat einen Fehler:

Es braucht einen Monteur.


General, der Mensch ist sehr brauchbar.

Er kann fliegen und er kann töten.

Aber er hat einen Fehler:

Er kann denken.

Irene Eckert, als Vertreterin des AKF zu Gast in Istanbul und Antakya vom 25. 04. -02. 05. 2013

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