GÖAB-Newsletter Nr. 81/2012
posted am 22.11.2012
Zur aktuellen Situation in Gaza
Die gestern Nacht vereinbarte Feuerpause (es handelt sich streng genommen um keinen Waffenstillstand) ist zweifellos zu begrüßen. Dennoch stellt diese Vereinbarung bestenfalls einen ersten Schritt dar, den zahllose weitere folgen müssen, soll diese Pause nicht nur ein kurzes Intermezzo bleiben. Zahlreiche internationale Kommentatoren haben bereits darauf hingewiesen, dass der jüngste Gewaltausbruch nicht zuletzt auch das Ergebnis von jahre-, ja jahrzehntelang ungelösten Problemen ist. Zu Recht hat auch der Generalsekretär der Arabischen Liga Nabil Al-Arabi festgestellt, dass es nun endlich auch um die Beseitigung der israelischen Besatzung geht. Es wird leider immer wieder übersehen, dass trotz des in der Osloer Grundsatzvereinbarung aus 1993 vereinbarten Friedensprozesses man schon seit langem von keinem derartigen Prozess sprechen kann. De facto sind die damals gemachten Pläne längst obsolet und trotz des Bestehens der „Palästinensischen Autonomieverwaltung“, welche letztendlich zur Gründung eines unabhängigen Palästinensischen Staates in den Gebieten der Westbank, des Gazastreifens und Ost-Jerusalem führen sollten, ist das Palästinensische Volk heute weiter von der Realisierung ihres nationalen Selbstbestimmungsrechtes entfernt als je zuvor. Betrachtet man die – völkerrechtswidrige – Siedlungspolitik Israels in den palästinensischen Gebieten bestehen ernsthafte Zweifel, ob denn die sogenannte Zweistaatenlösung überhaupt noch durchführbar sei. Darum geht es letztendlich. Da sich Israel seit Jahren konsequent weigert, die Ziele dieses „Friedensprozesses“ schrittweise zu verwirklichen, geht es nicht zuletzt auch darum, dass die Internationale Staatengemeinschaft daraus die richtigen Konsequenzen zieht, welche wohl nur in einer deutlichen Verschärfung der Tonart gegenüber Israel und letztendlich auch in ganz konkreten politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Maßnahmen bestehen müssen. Diese Frage werden sich in erster Linie die USA und in zweiter Linie auch die europäischen Staaten zu stellen haben. Denn deren Politik ist wesentlich mitverantwortlich dafür, dass der „Nahost-Friedensprozess“ seit Jahren blockiert ist.
Zu Gaza ist zu sagen, dass trotz des spektakulären Rückzuges Israels im Sommer 2005 Israel niemals die Kontrolle über den Gazastreifen aufgegeben hat. Israel kontrolliert seit damals – mit teilweiser Ausnahme des ägyptisch-palästinensischen Grenzüberganges Rafah – sämtliche Grenzen, kontrolliert auch den Luftraum über Gaza und hat die Meilenzone vor der Küste einseitig verkleinert. Es ist daher nicht übertrieben festzustellen, dass Gaza in gewisser Weise nach wie vor von Israel besetzt ist. Diese Situation wurde dann nach dem Wahlsieg der Hamas im Jahr 2006 und der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Jahr 2007 noch dadurch ganz wesentlich verschärft, dass Israel – in einer völkerrechtlich höchst fragwürdigen Weise – eine weitgehende Blockade des Gazastreifens verhängt hat. Deren Aufhebung wäre ohne Zweifel ein erster Schritt in Richtung einer Wiederaufnahme des Friedensprozesses. Sollte Israel dazu nicht bereit sein und die Internationale Staatengemeinschaft diesen Schritt nicht durchsetzen, wird die nun kurzfristig erreichte Einstellung der Gewalt nicht lange andauern.
Mit unserem heutigen Newsletter verbreiten wir einige wichtige Hintergrundinformationen, die in den meisten westlichen Mainstreammedien, deren Kriegsberichterstattung der letzten Tage aus meiner Sicht absolut inakzeptabel war, kaum berücksichtigt worden sind.
Fritz Edlinger
Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen
1150 Wien, Anschützgasse 1
Tel.: 01 526 78 10, Fax: +43 1 526 77 95
E-Mail: office.vienna@saar.at
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