Zwei Jahre lang gab es in Deutschland nur wenige Aktionen gegen den Krieg um Syrien.
Eines der wenigen Beispiele war die Demonstration zum Antikriegstag am 31.08.2013 in Frankfurt. Dies war die Fortsetzung einer Aktion vom Jahr zuvor (Demonstration am 01.09.2012 in Frankfurt) und wurde von einem breiteren Bündnis getragen, bis hin zu Beteiligten aus der Partei "Die Linke". Im Übrigen wurden Aktionen gegen den Krieg vor allem von syrischen und türkischen Gruppen getragen.
Die Friedensbewegung und die Linke in Deutschland hatten überwiegend die Augen fest verschlossen und allenfalls papierene Erklärungen verbreitet (z.B. auf den Ostermärschen). Mit dem Übergang zu einer direkten Intervention der USA scheint sich das zu ändern.
In einer Erklärung der Friedensbewegung heißt es z.B. beim Bremer Friedensforum:
Sollten die USA und ihre Verbündeten Syrien angreifen, ruft das Bremer Friedensforum auf, sich noch am selben Tag um 17 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Bremer Marktplatz zu treffen. Auch in vielen anderen Städten haben Friedensgruppen angekündigt, am Tag X auf die Straße zu gehen.
TAG X
Der Tag X, als der Krieg um Syrien begann, liegt schon lange in der Vergangenheit. Der Krieg begann nicht im Sommer 2011, als der US-Amerikanische Botschafter die Organisationen der Moslembrüder während ihres Aufstands in Hama besuchte. Und er begann auch nicht mit der Erklärung der damaligen Außenministerin der USA, Hilary Clinton, ebenfalls im Sommer 2011. Sie hatte gesagt, Assad sei keineswegs unersetzlich und die USA hätten nicht das geringste Interesse, dass er gestärkt aus dem Tumult hervorgehen werde. Er begann auch nicht im Januar, Februar oder März 2011, als die Websites und TV-Sender, die vom
US-Außenministerium bezahlt wurden ihre Tätigkeit in Syrien verstärkten und zum Sturz der Regierung aufriefen. Und er begann noch nicht einmal im Jahr 2008, als die USA ihre Sanktionen gegen Syrien wieder einmal verstärkten.
Vielleicht war der Tag X der Tag, als die amerikanische Regierung sich entschloss, 7 Länder in 5 Jahren anzugreifen: Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und – zum Abschluss: Iran. Der das berichtete war General Wesley Clark im Interview mit
"Democracy Now". (Wesley Clark war u.a. Oberkommandierender der NATO-Streitkräfte im Kosovo-Krieg.
ARABISCHER FRÜHLING
Die Unfähigkeit großer Teile der Linken, das zu verstehen, rührt u.a. daher, dass verschiedene Entwicklungen sich überkreuzen, miteinander verknüpft sind, sich gegenseitig bedingen und widersprechen. Natürlich gab es im Frühjahr 2011 unzählige Proteste gegen die syrischen Sicherheitsapparate und gegen die Regierung. Es gab Proteste von fortschrittlichen Gruppen und von reaktionären islamistischen Gruppen. Wenigstens dies sollte nach den Erfahrungen mit der Entwicklung in Ägypten mittlerweile offensichtlich sein.
Und große Teile der modernen städtischen Gesellschaft Syriens wollten Reformen und Veränderungen in Stabilität – nicht einen gewaltsamen Sturz der Regierung.
Für die USA und die Diktatoren der Golfstaaten war der Arabische Frühling lediglich ein Ansatzpunkt. Mit der Erschütterung des syrischen Staates und der syrischen Gesellschaft erwarteten sie, die Umgestaltung der regionalen Machtverhältnisse in ihrem Sinne billig zu erhalten.
Die USA hofften, den nächsten Staat auf ihrer Liste abhaken zu können.
Es war von Anfang an ein Krieg um Syrien. Ein Krieg, der mit unterschiedlichen Mitteln geführt wurde und in dem es vom ersten Tag an um das Ziel Regime-Change im Interesse der Golfstaaten und der USA ging.
Wie beschreiben hier 8 Gründe, warum wir von ausländischer Intervention sprechen und nicht von Bürgerkrieg.
8 GRÜNDE, WARUM ES NIE EIN BÜRGERKRIEG WAR
1. Es ist kein syrischer Krieg
Stephen Hadley, Nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Bush bringt es auf den Punkt,
wenn er schreibt: Um Iran zu stoppen, muss Obama Assad in die Schranken weisen. Und er fährt fort: Das Ziel (eines Angriffs der USA) ist, das syrische System aufzubrechen. Die Alternative zu einem solchen Militärischen Angriff wäre andauerndes Chaos oder ein Sieg Assads oder ein Sieg Al-Quaedas. All das würde die US-Interessen bedrohen.
Das gleiche hat die Sicherheitsberaterin von Präsident Obama,
Susan Rice, am 09.09. betont: Ohne militärisches Vorgehen gegen Syrien würden die Regierungen des Iran und von Nordkorea sich bestärkt fühlen. Und worum es in diesem Krieg geht, machen die
Herausgeber der Washington Postam 10.09. erneut deutlich: Ein Andauern des Regimes wäre ein Desaster für Syrien – und für die US-Interessen im Nahen Osten
Es geht in diesem Krieg um die Interessen der USA und der Diktatoren vom Golf, nicht die der Syrer.
2. Brutalisierung von außen
Im März 2012
berichtete der Spiegel vom "Schlächter von Baba Amr" in Homs: ...es gibt ein Standgericht - und eine Brigade von Henkern. Einer davon ist Hussein, er schneidet gefangenen Soldaten des Regimes die Kehle durch. Eine Revolution, die wegen der Grausamkeiten des Regimes ihre Unschuld verlor? Keineswegs – die Aktionen dieser Schlächter begannen schon im Sommer 2011. Alawiten wurden umgebracht von Schlächtern, die in unseren Medien als Freiheitskämpfer bezeichnet wurden.
Religiöse Verfolgung könnte den Beginn eines Bürgerkriegs konstituieren. Doch ohne die politische und mediale Unterstützung der Extremisten von außen und die Lieferung von Waffen hätten die Schlächter von Baba Amr niemals ihre Verbrechen in diesem Umfang begehen können.
3. Der Westen versucht, die syrische Gesellschaft zu spalten
Vom ersten Tag an wurde vom Ausland eine Kampagne für den Regime-Change geführt und für eine Regierung der Moslembrüder. Die Interessen der Syrer (siehe oben) spielten nie eine Rolle. Es wurde eine Kontaktsperre gegenüber der Regierung verhängt- und sogar gegenüber der Opposition, die sich nicht bedingungslos den Interessen der USA unterwarf. Alle westlichen Regierungen begegnen den Syrern einzig unter dem Aspekt, ob sie
für oder gegen das Regime sind. "Ist jemand aber nicht gegen das Regime, reden sie nicht einmal mit ihm... All diese 'Unterstützung' der westlichen Regierungen führt zu einer weiteren Spaltung der syrischen Gesellschaft" –sagt Louay Hussein im Interview mit Karin Leukefeld.
4. Golfstaaten als treibende Kräfte
Neben den USA und der Türkei sind es vor allem die Diktatoren der Golfstaaten, die Syrien zerstören wollen. Der amerikanische Außenminister
Kerry beschreibt es folgendermaßen: "Was die arabischen Staaten betrifft und ob sie bereit sind, den Krieg zu bezahlen: Ja, das sind sie. Das Angebot liegt auf dem Tisch...Wenn wir den Krieg führen wie in anderen Fällen zuvor, wollen sie die Kosten tragen. Das zeigt, wie sehr sie dazu entschlossen sind."
Regime-Change um jeden Preis. Und die US-Streitkräfte als Söldnertruppe der Golfdiktatoren...
5. Militarisierung von außen
Wir reden hier nicht von Waffenlieferungen, Training, Kommunikation, Geld, Information, Rückzugsräumen und allem, was den Angriff auf Syrien fördert. Das alles ist weithin bekannt.
Wir sprechen hier davon, dass bei vielen Gelegenheiten NATO und Golfstaaten gezielt jeden Versuch untergraben haben, zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Wir wollen einige Beispiele benennen.
Im Sommer 2011 gab es große Demonstrationen gegen die Regierung in Hama. Es kam zu Straßensperren, Angriffen mit Molotowcocktails u.a. Der neu ernannte Gouverneur von Hama (er wurde vor kurzem ermordet) führte schwierige und komplizierte Verhandlungen mit allen Beteiligten um zu einer friedlichen Beilegung der Konflikte zu kommen. Und genau das wurde vom amerikanischen Botschafter gestört, der zu Verhandlungen mit den Moslembrüdern nach Hama gereist war.
Stärkung der Extremisten war die Folge.
Beobachtermission der Arabischen Liga: "Die Mission hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Toten deutlich zurückgegangen ist. Die Mission konnte auch feststellen, dass sehr viele Gefangene in der Zwischenzeit freigelassen worden sind… und dass das, was von den westlichen Medien immer wieder hervorgehoben wird, dass einzig und allein eine repressive Herrschaft der Alawiten friedliche Demonstranten niederschießt überhaupt nicht stimmt..."(Günther Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt der Universität Mainz)
Die Folge: Katar zog seine Beobachter einseitig zurück und brachte die Mission damit zum Scheitern. Ausweitung des Blutvergießens war die Folge.
Beobachtermission der UN: "Der Westen" sprach viel davon, den 6-Punkte-Plan von Kofi Annan und einen Waffenstillstand in Syrien zu unterstützen. Aber genau zu der Zeit, als UN-Beobachter in Syrien eintrafen um zu einem Waffenstillstand beizutragen, verstärkten die USA und die Golfstaaten ihre Waffenlieferungen an die Aufständischen.
"Syrische Rebellen, die das Regime von Präsident Assad bekämpfen, haben in den vergangenen Wochen deutlich mehr und bessere Waffen erhalten. Das ist das Ergebnis von Anstrengungen, für die Golfstaaten bezahlen und die von den USA koordiniert werden" berichtet die
Washington Post.
Die verstärkten Waffenlieferungen führten zu weiteren Kämpfen, in denen schließlich die UN-Beobachter vertrieben wurden.
Genf I: Die sogenannte Friedenskonferenz Genf I und die Übereinkunft, die darin zwischen Russland und den USA getroffen wurde (Übergangsregierung unter Einschluss der jetzigen Regierung und von Präsident Assad) erfolgte überhaupt nur, weil die USA den Angriff auf die syrische Regierung und den "Vulkan Damaskus", den Angriff auf Damaskus und Aleppo bereits vorbereitet hatten. Dieser Angriff erfolgte gerade mal 2 Wochen nach dem Ende der Konferenz
Die USA erwarteten in diesem Angriff den Sturz Assads und eine Übergangsregierung der siegreichen Moslembrüder.
Die Friedenskonferenz Genf II und die offene Drohung der USA, Syrien militärisch anzugreifen (vorübergehend verschoben?), ist nur das aktuellste Beispiel. Es ist eine Politik, die versucht, jede Verhandlungslösung mit der jetzigen Regierung auszuschließen.
Ohne diese von außen erzwungene Politik des Regime-Change um jeden Preis wäre es schon längst zu einer Verhandlungslösung gekommen.
6. Flugverbotszone
Schon vor fast zwei Jahren wollten NATO und Golfstaaten direkt militärisch in Syrien eingreifen. Wäre das geschehen, würde heute niemand von einem Bürgerkrieg sprechen - oder vielleicht gäbe es einen wirklichen Bürgerkrieg. Nachdem der Versuch, die syrische Regierung im Bombenhagel der "Flugverbotszone" zu zerstören am Widerstand der BRICS-Staaten und anderer gescheitert war, gab es nun unter dem Vorwand eines angeblichen Angriffs mit Chemie-Waffen durch die Regierung einen neuen Versuch. Auch dieser Versuch der USA, Syrien militärisch anzugreifen, ist vorerst gescheitert. Er macht deutlich, wer die treibenden Kräfte in dem Konflikt sind.
7. Grenzöffnung für die Terroristen
Offene Grenzen, Rückzugsräume, Ausbildungslager, Hilfe und Unterstützung jeder Art. Das bietet Jordanien, aber vor allem die Türkei den Kräften, die gegen die syrische Regierung kämpfen. Würden Jordanien und die Türkei ihre Grenzen für die Angreifer schließen, wäre der Krieg in Syrien bald vorbei.
8. Liste mit Kriegszielen
Wie oben bereits erwähnt: die amerikanische Regierung hatte sich entschlossen, 7 Länder anzugreifen. Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und – zum Abschluss: Iran. Der das berichtete war General Wesley Clark im Interview mit "Democracy Now". (Wesley Clark war u.a. Oberkommandierender der NATO-Streitkräfte im Kosovo-Krieg. Und auch wenn es länger gedauert hat als 5 Jahre und die Reihenfolge sich geändert hat: Staat um Staat gemäß dieser Liste wird zerstört.
Gerade jetzt im Fadenkreuz: Syrien.
FAZIT
In Syrien herrscht kein Bürgerkrieg
Die Definition aus Wikipedia trifft nicht auf Syrien zu: Ein Bürgerkrieg ist ein bewaffneter Konflikt auf dem Gebiet eines einzigen Staates zwischen mehreren inländischen Gruppen, häufig mit Einwirkung ausländischer Mächte. Es ist keine Einwirkung ausländischer Mächte auf einen internen Konflikt. Es ist kein Krieg, der von innen kommt und von außen lediglich unterstützt wird, sondern ein Krieg, der ohne die Unterstützung von außen überhaupt nie entstanden wäre. Ein Krieg zur weiteren Umgestaltung des Nahen Ostens.
Und wer sich für die Situation in Syrien interessiert hat, wusste spätestens im Sommer 2011, dass es genau darauf hinauslaufen würde: ein Angriff der USA und ihrer Verbündeten mit dem Ziel Regime-Change.