Monday, February 16, 2015

Narrenweisheit* Betrachtungen von Irene Eckert


Immer mehr internationale Analysten charakterisieren die aktuelle US-gesteuerte NATO-Politik als eine von Schwachsinnigen dirigierte, dem Boden der Rationalität entglittene Wahnsinnspolitik.

Ich halte einen solchen Denkansatz für  im eigentlichen Sinne 'beschränkt', auch wenn er  wohlmeinend und von klugen, gut informierten Menschen vorgetragen wird. 
Zunächst einmal ist  die  Konsequenz  solcher Betrachtung fraglich, weil sie eine lähmend Wirkung hat. Wären wir mit so übermächtig Wahnsinnigen konfrontiert, dann könnten wir nur noch die letzten Weihen empfangen und beten.

Es ist grundsätzlich problematisch,  einseitig auf die Handlungsweise des Imperiums und seiner Handlanger zu starren, anstatt das gesamte internationale Gefüge in den Blick zu nehmen. In gewisser Weise wird nämlich  damit,  entgegen warnender, kritischer Absicht der Blickwinkel des noch (!) herrschenden Hegemons übernommen, ohne seine innere Brüchigkeit, seine  Schwächen bloß zu legen.  Auf diese Weise wird vermieden die möglichen Angriffsflächen für eine Gegenbewegung aufzudecken.

Drittens ist daran falsch, dass die Rechnung ohne den Wirt gemacht wird. Denn die Mächtigen   verfangen sich in einem selbst erzeugten, ständig wachsenden  Widerspruchsgefüge. Die  deutlich sich formierenden globalen Gegenkräfte werden außer Betracht gelassen. So schwächt man den so notwendigen Widerstand.

Viertens hat die Macht durchaus  ihre eigene, wenn auch beschränkte  und in sich eben zwangsläufig Widersprüche hervortreibende  Logik. Sie ist im  Sinne  des Machterhalts durchaus um Rationalität bemüht. Dieser  engstirnigen Logik müssen wir aber  die  vorwärts weisende  und umfassende Rationalität der Beherrschten, der Ausgeplünderten, der Opfer entgensetzen.

Der militärisch-industrielle Komplex hat ohne Feindbild und ohne Ausweitung der Kriege keine Zukunft. Er kämpft also durchaus nach Maßgabe seiner notwendig bornierten Rationalität um sein nacktes Überleben. Dass er damit das Leben überhaupt aufs Spiel setzt, ist nicht gewollt, wird aber  als mögliche Konsequenz ausgeblendet, verdrängt.  Wir, die Betroffenen, müssen daher auf den Irrationalismus genau dieses systemaren Zusammenhangs zielen, den es auszuhebeln gilt, um  der  Rationalität voll umfänglich  Geltung verschaffen zu können und zwar  im Gattungsinteresse.

Teile des militärisch-industriellen  Systemkomplexes und seines Machtapparates, sein riesiger Mitarbeiterstab also,  sind vermutlich Opfer der von ihnen selbst erzeugten Propaganda. Sie glauben um ihr eigenes Überleben so kämpfen zu müssen, wie es ihre Propagandastrategie  vom "Antiterror-Krieg" und vom "Erz-Feind Russland" vorgibt.

Wir aber, die wir ums unser Überleben und um die Sicherheit künftiger Generationen besorgt sind und es besser  wissen, müssen demgemäß ihre Propaganda als falschen Schein entlarven.
Unser Auftrag besteht in erster Linie darin, die Menschen vor einer falschen, verhängnisvollen, in die Irre führenden 'Schein-Rationalität' zu  warnen. Rationalität greift nämlich fast immer nur so weit, wie die eigenen "Sicherheit"- Interessen es vorschreiben.

Wer im weitesten Sinne dem militärisch-industriellen Apparat dient und dessen Brot ißt, tut sich  - nachvollziehbarer Weise - entsprechend schwer, vor den Folgen dieses alles verschlingenden Monsters zu warnen un sich von seinen Machenschaften zu distanzieren.  Er  oder sie kann und darf sich nicht mit den Folgen seiner "Arbeit"  befassen, die er oder sie  nicht einmal ganz zu durchschauen vermag. Er kann sich in seiner Art zu denken, von der Propagandamaschinerie nicht lösen.

Nur wenige Individuen haben die geistige und moralische Größe eines Edward Snowden. Viele aber sehen die  für  sie nachteiligen  Folgen eines Absprungs, einer Abkehr von den Fleischtöpfen der Macht. Die meisten Menschen sind nicht stark genug, noch blicken sie weit genug, um die unmittelbaren  Nachteile für sich selbst schultern zu können. 

Nun wird die Geschichte, wie man weiß, zwar von den Mächtigen geschrieben und auch in  ihrem Sinne gefälscht, aber Dissidenten- und Ketzergeschichten werden auch vom Volke weitergetragen und erzielen so ihre abschreckende Wirkung.

Das spricht allerdings ganz und gar  nicht grundsätzlich gegen die Vernunft. Die Klugheit des Volkes ist omnipräsent trotz medialer Dauergehirnwäsche. Die Vernunft der Völker, die Vernunft  von Millionen einfacher Menschen zielt erdumspannend auf die einfachen Dinge: Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Tradition, Überleben der Gattung, Nahrungssicherung, Schutz vor Hitze und Kälte, Zusammenhalt in Zeiten großer Gefahr und dergleichen.

Die Aufgabe der besser Informierten  und Weitsichtigen besteht darin,  Mut zu machen, Mut zum Widerstand, nämlich da, wo Unrecht nicht mehr tragbar ist und wo die ganze Gattung gefährdet ist, da wo die Gewalt überhand nimmt, wo existenzielle Interessen gefährdet sind.

Einen solchen Moment erleben wir jetzt. Auch für  Europäer und Nordamerikaner spitzt sich  derzeit die Gefährdung  zu. An anderen Orten dieses Planeten  und zu anderen Zeiten auch schon bei uns, haben die Völker solch existenzielle Bedrohung bereits  durchlitten.

 In Lateinamerika und Asien sind die Völker längst  durch nachhaltige, rauhe Gewalterfahrung  gestählt zum kollektiven Widerstand aufgebrochen. Auf ihrer Seite befindet sich heute  die Rationalität. Die  kollektive Vernunft, der menschliche Verstand weist dort die richtige Richtung.
Es ist Zeit für uns, es ihnen gleichzutun. 

Ob in China unter Führung der kommunistischen Partei des großen Landes und der Jahrtausende alten Weisheit einer alten  Kultur, ob in Lateinamerika unter fortschrittlichen Offizieren, katholischen Priestern, indigenen Gewerkschaftsführern, Politikern aller Couleur, ob in Indien oder Afrika, über all entstehen  Bündnisse, angeführt  vom kollektiven Überlebenswillen. Es wehrt sich eine Mehrheit der Weltbevölkerung auf ganz unterschiedliche Weise gegen die drohende Unvernunft des militärisch-industriellen Molochs des Westens.

Dieser Westen verspielt derzeit mittels der aberwitzigen Anmaßung einer  blinden  US-Führung, die sich  gar mit Gott im Bunde und   von einem atemberaubenden Sendungsbewusstheit getragen fühlt, den letzen Rest an Glaubwürdigkeit.
Der Irrationalismus eines einst  glorreichen Westens ist am Ende seiner  bornierten Weisheit angelangt.   Was ihm bleibt ist  der Rekurs auf nackte und brutalste Gewalt. Damit ist aber kein Staat zu machen. Gewalt wirkt nur solange sie vorhält und ihr Scheitern ist absehbar. Diese Dialektik, so meine ich, gilt es immer mit zu transportieren, damit der Weisheit der "Narren" auf lange Sicht  endlich zum Durchbruch verholfen werden kann.
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* Narrenweisheit" - so lautet der Titel eines Romans von Lion Feuchtwanger über den Philosophen Rousseau, dessen Ideen, neben denen Voltaires,  immerhin die große Bürgerliche Revolution Frankreichs vorbereiten halfen.Sämtliche historischen und hochaktuellen Romane von  Lion Feuchtwanger, insbesondere sein 1948 erschienener Roman "Waffen für Amerika" (auch unter dem Titel "Füchse im Weinberg")  verdienen neue, weite Verbreitung.

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