Sunday, May 7, 2017

"Wir halten unser Schweigen nicht mehr aus" Friedenskreis Pankow


Friedenskreis Pankow besteht seit mehr als 30 Jahren – 
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Friedenswerkstatt während des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2017 in Berlin

Ende Mai ist während des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Berlin der Friedenskreis Pankow Gastgeber für die Friedenswerkstatt, bei der 15 Friedensgruppen in 25 Veranstaltungen, Workshops, Kulturbeiträgen, Gebeten und Gottesdiensten zeigen wollen, dass Gewaltfreiheit und Versöhnung kraftvolle Alternativen zu Krieg und Gewalt sind. Zwei Veranstaltungen, die der Friedenskreis selbst anbietet, sind überschrieben mit dem Titel „Unsere Empörung – unsere Hoffnung“. Damit erinnert der Friedenskreis Pankow an seine Anfänge vor 35 Jahren, an einen Aufbruch aus dem Schweigen und die Suche nach Alternativen.

„Gegen Todsicherheit – für den Frieden“, so lautete das Motto eines Gemeindefestes, zu dem die evangelische Kirchengemeinde Alt-Pankow am 24. Oktober 1981 eingeladen hatte. Damals unterschrieben rund 250 Besucher ein Schreiben an Bischof Gottfried Forck von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. „Wir halten unser Schweigen nicht mehr aus“, so hieß die Überschrift dieses Schreiben. Es war mehr als ein Aufruf, es war ein Programm sich einzumischen. Das Gemeindefest sollte zur Geburtsstunde des Friedenskreises Pankow werden, denn vier Wochen später trafen sich am 27. November 1981 rund 50 Gemeindemitglieder, um den Friedenskreis Pankow als Teil der Kirchengemeinde zu gründen. Er war zu diesem Zeitpunkt die erste unabhängige Friedensgruppe in Berlin.

Das Gemeindefest in Pankow fand 14 Tage vor der bis dahin größten Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten statt. Es war die Zeit der atomaren Hochrüstung im Westen wie im Osten, in der sich der Friedenskreis gründete. Die Fronten des Kalten Krieges hatten sich verschärft, eine zunehmende Aufrüstung bestimmte die Sicherheitspolitik. Das Verhältnis von Ost und West war von Misstrauen geprägt, in Polen entstand eine unabhängige Gewerkschaft, die USA begannen mit den Planungen für ein Raketenabwehrsystem SDI, die Sowjetunion marschierte in Afghanistan ein. Im Warschauer Pakt wurden Mittelstreckenraketen vom Typ SS 20 stationiert, die NATO antwortete mit der sogenannten Nachrüstung, also der Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles. Zwischen den Supermächten herrschte Eiszeit.
In dieser Zeit entstanden auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs Friedensgruppen, die sich gegen dieses Wettrüsten engagierten und für eine Friedens- und Entspannungspolitik warben. Im Westen gab es die ersten Großdemonstrationen der Friedensbewegung, im Osten gründeten sich, so wie in Pankow, Friedenskreise und Gruppen als regierungsunabhängige Friedensbewegung.

Schnell entwickelten sich im Friedenskreis Pankow Arbeitsformen, die basisdemokratisch aufgebaut waren. Bei den Treffen der Gruppe ging es um Fragen der Friedenserziehung, der Gewaltlosigkeit, eine alternative Friedenspolitik, aber auch um die Bedrohung der natürlichen Lebensbedingungen und die zunehmend wahrnehmbare Zerstörung der Umwelt. Mit seiner Arbeit machte der Friedenskreis Pankow in der DDR diese tabuisierten Themen öffentlich, was rasch zu staatlichen Gegenmaßnahmen führte. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtete die Aktivitäten der Gruppe, es wurden inoffizielle Mitarbeiter des MfS eingeschleust, die den Friedenskreis ausspähen, aber auch sabotieren sollten. Dennoch gelang es dem Friedenskreis, sich bis zum Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges zu einem wichtigen Diskussionsort für diese kritischen Themen, für Umwelt- und Friedensfragen zu entwickeln.

Während der Umbruchphase 1989/90 spielten viele Mitglieder des Friedenskreises Pankow eine wichtige Rolle. Hans Misselwitz, 1981 einer der maßgeblichen Initiatoren des Friedenskreises, wurde beispielsweise SPD-Volkskammerabgeordneter und Staatssekretär im DDR-Außenministerium, seine Frau Ruth, damals wie heute Gemeindepfarrerin in Pankow und ebenfalls Initiatorin des Friedenskreises, moderierte den Runden Tisch in Pankow. Werner Schulz wurde für Bündnis 90 Mitglied in der Volkskammer und wirkte am zentralen Runden Tisch der DDR mit, später war er Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Weitere bekannte Friedenskreis-Mitglieder der damaligen Jahre waren die spätere CDU-Politikerin Vera Lengsfeld, die Künstlerin Freya Klier und viele mehr.

Nach der Wiedervereinigung engagierten sich Mitglieder des Friedenskreises Pankow in den neu gegründeten Parteien, in Bürgerbewegungen oder Nichtregierungsorganisationen. Auch wenn dadurch die Arbeit im Friedenskreis etwas in den Hintergrund trat, blieb das Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung bestehen, bis heute. Der Friedenskreis Pankow wurde Mitglied des Trägerkreises „Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen“. Die Zeiten änderten sich, die Themen blieben.
„Damals wie heute bewegt den Friedenskreis die Empörung über Aufrüstung, Militarisierung der Politik und ungerechte Verhältnisse. Dass dagegen erneut Widerstand von unten wächst, das ist unsere Hoffnung“, betont Hans Misselwitz. Er ist nun an der Vorbereitung der Friedenswerkstatt beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin beteiligt.

Denn es ist kein Zufall, dass diese Friedenswerkstatt an einem Ort stattfindet, der auf eine solch lange, friedensbewegte Geschichte zurückblicken kann. Und genauso wie vor mehr als 30 Jahren soll in Pankow wieder gezeigt werden, dass Gewaltfreiheit und Versöhnung kraftvolle Alternativen zu Bomben und Terror darstellen. Und es soll deutlich werden, dass es Menschen gibt, die in Worten und Taten Frieden stiften wollen, die zeigen, wie aktive Gewaltlosigkeit, respektvolle Kommunikation und christlicher Pazifismus dazu beitragen können, Feindbilder zu überwinden, Gewalt zurückzudrängen und Perspektiven auf einen gerechten Frieden zu entfalten. „Wir wollen an diesen Tagen während des Kirchentags Perspektiven auf einen gerechten Frieden entfalten“, so die Pankower Gemeindepfarrerin Ruth Misselwitz.



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