Saturday, April 25, 2020

Diana Johnstone Der Coronavirus und die Zivilisation

"These are times requiring the clearest of clear eyes, not those that would see the tunnel’s rapidly approaching light as a serendipitous opportunity to check our watches once that light is close enough." Bruce Dickson
It sorrows me to have to remind her that power recognizes and responds only to power, not to arguments raised by those subservient to it, however articulate, well constructed and articulate said arguments might be. B.D.

 Ich schätze Dianas Arbeit seit 34 Jahren. Consortium News ist für mich eine wichtige Quelle. Der hier angehängte, auf Heises Blog Teleopolis  ins Deutsche übertragene Artikel zum Zustand unserer aktuellen Zivilisation vor dem "Corona-Hintergrund" hat mich allerdings schockiert.  Ich habe gleich den Originalbeitrag aufgerufen https://consortiumnews.com/2020/04/10/covid-19-coronavirus-and-civilization/, weil ich kaum glauben konnte,  dass die kritische Denkerin das so ohne Prüfung der bisherigen Faktenkritik geschrieben haben soll. 

https://www.heise.de/tp/features/COVID-19-Der-Coronavirus-und-die-Zivilisation-4709703.html?view=print 

Es stimmt aber, leider. Besonders entsetzt bin ich über den Beifall, den Diana J. in 47 Zuschriften  auf Consortium News auch noch erhält. 
Immerhin habe ich folgenden   kritischen Leserbrief beim raschen überfliegen gefunden:

 Bruce Dickson 
April 12, 2020 at 11:23
The author asks, to what end would a robust Mammon seek to lockdown all mankind when mankind is already sufficiently subdued? 
It embarrasses me to remind her that Mammon’s lust for “more” (profits, wealth, power, control) is patently and demonstrably insatiable on par with the most hopelessly addicteds’ lust for another fix, regardless the risks and the costs. It is the very nature of the beast.
Thus, it is, quite simply, to that end which Mammon would elect not to be satisfied with the status quo – however sufficient it might appear to us non-addicts – but to pursue yet other ways to extract ever more juice, ever more efficiently, from his prey. 
Likewise, it embarrasses me to point out that her attempts to identify The Powers That Be in personages such as Mike Pompeo and even Bill Gates fall risibly short of the far more apt mark. Instead, she should be citing those to whom such human “fronts” are answerable and to those above them, still. 
Finally, it sorrows me to have to remind her that power recognizes and responds only to power, not to arguments raised by those subservient to it, however articulate, well constructed and articulate said arguments might be. 
Therefore it ought come as no surprise to this article’s readers that its gauzily-promoted solution is as facile as its purported “analysis.” 

COVID-19: Der Coronavirus und die Zivilisation

Symbolbild: Max Anderson/unsplash

Ausgangssperren sind ein Ausdruck von Hilflosigkeit, nicht von Stärke, besonders in Deutschland verbreiten alternative Medien, dass die Corona-Krise ein aus finsteren Motiven fabrizierter Fake ist
Krisen werden von Mächtigen ausgenutzt, aber dass sie die Corona-Krise mit allen katastrophalen Folgen bewusst inszenieren, erscheint Diana Johnstone [1] wenig plausibel. Übersetzung des auf Consortiumnews.com [2]erschienenen Artikels von Susanne Hofmann.
Je länger die strenge Ausgangsbeschränkung währt, desto mehr finden selbst Menschen, die in Liebe verbunden sind, einander unerträglich. Im größeren Rahmen gehen in dieser verrückten Massen-Ausgangsbeschränkung Menschen, die die Ablehnung der Lügen unserer kriminellen Herrscher eint, sich gegenseitig an die Gurgel. Der Grund: Sie interpretieren das, was wer warum tut, unterschiedlich.
Dies spielt sich in den alternativen Medien ab, insbesondere in Deutschland. Anscheinend glauben viele kritische politische Analysten, dass die Corona-Krise ein Fake ist, fabriziert von Medien und Regierungen aus finsteren Motiven. Sie rufen zu Protestdemonstrationen gegen die Ausgangsbeschränkung auf.
Ich kann nicht umhin, darin die Besessenheit bestimmter Oppositioneller zu sehen, sich selbst als gute "anti-autoritäre" Deutsche zu beweisen, die sich dem Nazismus nie gebeugt hätten. Doch ist diese Geltendmachung individueller Freiheit inmitten einer Krise der öffentlichen Gesundheit angebracht?

Die Grenzen der Macht

Kluge Menschen möchten natürlich hinter allem, was geschieht, ein Motiv finden. Früher mögen solche Menschen Theologen gewesen sein, die die höchst mysteriöse Weise erklärten, mit der Gott seinen kosmischen Plan umsetzt. Eine Flut, eine Seuche, ein Erdbeben? Dafür musste es einen Grund geben, einen Beweggrund aus menschlicher Sicht. Der Allmächtige bestrafte seine sündige Herde and zeigt ihr, wer der Boss ist.
Heute sind etliche Kommentatoren in den alternativen Medien bereit, an die Allmacht nicht Gottes, sondern des Mammon zu glauben, an die Allmacht der Wallstreet und ihrer Partner in Politik, Medien und Militär. Aus dieser Perspektive geschieht nichts Wesentliches, das nicht von den irdischen Mächten aus Eigennutz geplant worden wäre.
Der Mammon zerstört die Wirtschaft, damit einige wenige Oligarchen alles besitzen. Oder: Der Mammon hat den Covid-19-Schwindel ersonnen, um uns alle einzusperren und uns auch noch des letzten bisschen Freiheit zu berauben. Oder der Mammon bedient sich schließlich des Virus, um einen Vorwand zu haben, uns alle mit geheimen Substanzen zu impfen und uns in Zombies zu verwandeln.
Ist das glaubhaft? In gewisser Weise, ja. Wir wissen, dass der Mammon skrupellos und in moralischer Hinsicht aller Verbrechen fähig ist. Doch es passieren sehr wohl Dinge, die der Mammon nicht geplant hat, wie zum Beispiel Erdbeben, Fluten oder Seuchen. Die Abneigung gegen unsere herrschende Klasse zusammen mit der Abneigung gegen das Eingesperrtsein führt zur Gleichung: "Sie" benutzen diese (erfundene) Krise nur, um uns einzusperren!
Doch wozu? Für wen ist es von Vorteil, die Bevölkerung einzusperren? Aus reiner Genugtuung sich selbst zu sagen: "Ah, jetzt haben wir sie da, wo wir sie haben wollten, alle zuhause eingebuchtet!" Will man so einen Volksaufstand unterdrücken? Welchen Volksaufstand? Wozu sollte man Menschen unterdrücken, die gar nichts tun, was man unterdrücken müsste?
Wozu eine Bevölkerung einsperren - und hier denke ich besonders an die Vereinigten Staaten -, die uneinig, unorganisiert, völlig verwirrt ist aufgrund ideologischer Indoktrination, die ihr seit Generationen weismacht, ihr Land sei in jeder Hinsicht "das beste", und die deshalb außerstande ist, kohärente Forderungen an ein System zu formulieren, das sie rücksichtslos ausbeutet? Muss man seinen treuen Schoßhund einsperren, damit er einen nicht beißt?
Wenn überhaupt, dann könnte das Trauma dieser Situation tatsächlich eine schläfrige Bevölkerung veranlassen, sich der dringenden Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft bewusst zu werden. Die Vorstellung, dass die Gefahr besteht, dieser Lockdown könnte von Dauer sein, ist vollkommen unrealistisch und widerspricht jeder Erfahrung früherer Lockdowns. Im Gegenteil - eine verlängerte Ausgangssperre führt höchstwahrscheinlich zu Explosionen. Die Frage ist, können diese Explosionen konstruktiv sein?

Geblendet von der Hybris

Statt die Allmacht des Mammon zu beklagen, wäre es konstruktiver, nach Rissen in seiner Rüstung zu suchen, nach seinen Schwächen, nach Möglichkeiten ihn massiv zu diskreditieren, anzuprangern und zu besiegen.
Der Mammon ist von seiner eigenen Hybris geblendet, oft ist er einfältig, inkompetent und verdummt, weil man ihn mit so Vielem so leicht davonkommen lässt. Schauen Sie sich Mike Pompeo oder Mike Pence an - sind das allmächtige Genies? Nein, das sind Typen, die in einem korrupten System, das Wahrheit, Tugend oder Intelligenz verachtet, nach oben gelangen konnten, wie die übrigen Verbrecher, die in einem System bar jeder ethischen oder intellektuellen Maßstäbe an der Macht sind.
Die Macht solcher Typen widerspiegelt lediglich die Tatsache, dass ganze Bevölkerungsgruppen ihre soziale Verantwortung nicht wahrnehmen. Ihr Desinteresse an der Politik erlaubt es zweifelhaften und skrupellosen Figuren nach oben zu gelangen.
Der Lockdown, den unsere westlichen Regierungen verfügt haben, offenbart mehr Hilflosigkeit denn Macht. Sie haben sich nicht danach gedrängt, uns einzusperren. Der Lockdown ist verheerend für die Wirtschaft, der ihre Hauptsorge gilt. Sie haben gezögert und konnten sich erst dazu durchringen, als sie handeln mussten und schlecht gerüstet waren, etwas anderes zu tun. Sie sahen, dass China mit dem Lockdown gute Ergebnisse erzielt hatte. Doch die klugen asiatischen Regierungen haben mehr als das getan, sie haben Masken verteilt, Tests und Behandlungen durchgeführt, die die westlichen Regierungen nicht besaßen.
Die westlichen Regierungen riefen nach Ausgangsbeschränkungen, als Experten ihnen die Exponentialkurven erklärten. Sie wussten nicht, was sie sonst tun sollten. Immerhin ist noch genug Rest an sozialem Verantwortungsbewusstsein in unseren Gesellschaften vorhanden, um die Regierungen zu verpflichten, die einfachen, klassischen Quarantänemethoden anzuwenden, die während einer Pandemie üblich sind.
Natürlich sind in jeder Krise einige in der Position, von der Katastrophe zu profitieren. Die Geier haben das Vieh nicht in den Tod getrieben, um das Aas zu fressen. Wenn es aber daliegt, dann werden sie es verschlingen. Die Finanzmächte der Wall Street könnten die Kongressangehörigen schnell dazu bringen, Gesetze zu verabschieden, um ihnen aus der Klemme zu helfen, während kleine Unternehmen untergehen und die arbeitende Bevölkerung in die Verzweiflung getrieben wird.
Doch auf lange Sicht hat die Wall Street ohne die kleinen Unternehmen, ohne die Arbeiter, die jetzt ihres Einkommens beraubt werden und nichts mehr ausgeben können, ohne normale wirtschaftliche Aktivität niemanden mehr, den sie aussaugen, nichts mehr, das sie ausbeuten könnte. Es ergibt absolut keinen Sinn zu glauben, dass die führenden Wirtschaftsmächte diese ruinöse Krise erstrebt haben, um einen rätselhaften Vorteil für sich selbst zu erlangen.
In der Europäischen Union lehnen es Gläubiger-Staaten wie Deutschland und die Niederlande ab, die Europäische Zentralbank "Corona-Bonds" ausgeben zu lassen, um die wirtschaftliche Erholung schwer getroffener Länder wie Italien und Spanien zu finanzieren. Das bedeutet, jene Länder müssen sich Geld vom privaten Finanzsystem leihen und das zu hohen Zinssätzen, die zum Bankrott führen werden.
Das klingt nach einer Gefälligkeit für den internationalen Finanzsektor, der jedoch auf einem unendlich großen, unbezahlbaren Schuldenberg sitzen bleiben wird. Und im Ergebnis wird die Europäische Union gespalten. Das ist nicht im Interesse irgendeines dieser mächtigen Meister des Mammon.

Öffentliche Gesundheit ist keine individuelle Entscheidung

Im Westen werden "Menschenrechte" im Sinne der "Rechte" des Individuums oder einer Minderheit verstanden, sich gegen das sogenannte "Regime" zu stellen - wenn es um andere Länder als unser eigenes geht. Die Vereinigten Staaten benutzen den verabsolutierten Wert der "Menschenrechte" als Vorwand, Staaten, die ihre globale Vorherrschaft ablehnen, ihren Willen mittels Sanktionen und Bomben aufzuzwängen. Der Autorität die Stirn zu bieten wird als Widerstand gefeiert, ohne sich dabei unbedingt die Details näher anzusehen.
Doch nahezu alle wesentlichen Aspekte jeder zivilisierten Gesellschaft stehen der Verabsolutierung individueller Rechte entgegen. Jede zivilisierte Gesellschaft hat eine Art Rechtssystem, einige grundlegende Regeln, die jeder zu befolgen hat. Die meisten zivilisierten Länder haben ein staatliches Bildungssystem und (mit Ausnahme der USA) eine gesetzliche Krankenversicherung, die der ganzen Bevölkerung zugutekommen soll. Zu diesen Elementen der Zivilisation gehören Einschränkungen der individuellen Freiheit.
Die Vorteile, die jeder Einzelne in einer zivilisierten Gesellschaft genießt, bewirken, dass diese Einschränkungen für nahezu alle akzeptabel sind. Die Gesundheit des Einzelnen hängt von der Gesundheit der Gemeinschaft ab. Deshalb akzeptieren in den meisten westlichen Ländern alle ein einheitliches Krankenversicherungs-System. Die einzige Ausnahme sind die Vereinigten Staaten, wo die egozentrischen Ansichten einer Ayn Rand weithin als ernstzunehmende Denkweise gelten.
Der Ausbruch einer Seuche oder einer Epidemie erfordert plötzlich abnorme, extrem unangenehme Beschränkungen wie etwa Quarantänen. Es ist ein Fall, in dem die Freiheit des einzelnen für das Wohl der Allgemeinheit geopfert wird: Die Bewegung des Individuums wird nicht nur für sein eigenes Wohl eingeschränkt, sondern für das Wohl seiner Gemeinschaft und, ja, das der ganzen Menschheit.
Das Paradoxon unserer hochtechnologisierten Gesellschaften liegt darin, dass, je unmöglicher es für die Allgemeinheit (uns alle) ist, lebenswichtige Funktionen und Themen zu verstehen, desto mehr sind wir auf Experten und Autoritäten angewiesen und desto mehr misstrauen wir ebendiesen Experten und Autoritäten und verdächtigen sie, ihre Positionen auszunutzen, um geheime Agenden voranzutreiben. Unseren Gesellschaften, in denen die Macht unsichtbarer Kräfte zunehmend undurchschaubar wird, wohnt also eine Art Paranoia inne.
Dieses Paradoxon schlägt bei Themen rund um Fragen der Medizin und der öffentlichen Gesundheit voll durch, umso mehr, da die Autoritäten sich selbst oft uneins sind. Insbesondere in Deutschland, wo die Krise bislang relativ mild verlaufen ist, behauptet [3] der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi , die Angst vor Covid-19 sei künstlich erzeugt und man solle der Natur freien Lauf lassen - schließlich bleiben gesunde Menschen verschont und die wenigen, die sterben, wären ohnehin gestorben.

Bleib zuhause und nimm eine Tablette

Diese Ansicht wird von jenen bereitwillig übernommen, die in jeder Regierungsmaßnahme einen willkürlichen Anschlag auf persönliche Freiheiten wittern. Doch es handelt sich dabei kaum um eine Mehrheitsmeinung in Medizinerkreisen weltweit.
Ich habe persönliche Erfahrung mit dem Virus. Ich habe es in Aktion erlebt. Es ist nicht einfach eine schlimme Erkältung oder eine saisonale Grippe. Ja, es gibt leichte Fälle, aber ebenso gibt es tödliche Fälle. Es tötet nicht nur überflüssige ältere Menschen, die manche Kommentatoren anscheinend gerne loswerden möchten.
Doch es ist durchaus vernünftig, den Sinn einer bloßen Ausgangssperre zu hinterfragen. Hier in Frankreich entschieden die Behörden sich mit einiger Verspätung für die Ausgangssperre, nur weil die Krankheit sich verbreitete und man kein anderes Mittel dagegen in der Hand hatte.
Es gab keine Masken. Eine Fabrik in der Bretagne, die den heimischen Markt mit Masken und anderen Medizinprodukten versorgte, war schon vor einiger Zeit von Honeywell aufgekauft und geschlossen worden. Ein Beispiel für die Deindustrialisierung Frankreichs, die auf der Annahme beruht, dass wir im Westen von unserem Wissen, unseren Ideen, unseren Start-up-Unternehmen leben können, während die Dinge selbst dann zu Niedriglöhnen in armen Ländern hergestellt werden.
Es gab also keine Masken und man konnte sie auch nicht unmittelbar herstellen. Außerdem gab es zu wenig Beatmungsgeräte, ja sogar zu wenig Krankenhausbetten. Um mit der Epidemie zurechtzukommen, konnte man den Menschen also praktisch nur sagen, sie sollten zuhause bleiben und Paracetamol nehmen.
Sicherlich gibt es bessere Methoden, um damit umzugehen, und unweigerlich wird es nach der Ausgangssperre eine Flut von Kritik am Umgang der Regierung mit der Krise geben und Forderungen nach gründlichen Verbesserungen unseres Gesundheitssystems.
Das Argument, "naja, an der normalen Grippe oder an Krebs oder anderen Krankheiten sterben noch mehr Menschen" zählt nicht, denn diese Erkrankung kommt zu all den anderen, mit denen man rechnet, dazu: Sie überdehnt das bereits strapazierte Gesundheitswesen über die Maßen und bringt es zum Kollabieren.
In Italien hat Covid-19 hundert Ärzte in etwas mehr als einem Monat getötet. Sie wären ohne die Epidemie nicht "sowieso an etwas anderem gestorben".
Normalerweise wählt man in Frankreich den Notruf SAMU 15 und dann kommt für gewöhnlich binnen Minuten der Notdienst. Während der Covid-19-Krise konnte man die Nummer wählen und musste eine Stunde oder länger warten, egal welcher Notfall vorlag, oder es kam gar keine Hilfe.
Der Hauptzweck der Quarantäne besteht darin, den Druck auf überlastete Systeme zu verringern. Ohne die Ausgangsbeschränkungen wäre die Überlastung noch heftiger ausgefallen. Diese Krise offenbart die Unzulänglichkeit der bestehenden Einrichtungen und den dringenden Bedarf an umfangreichen Programmen, um das öffentliche Gesundheitswesen zu stärken.

Irrationale Furcht vor Impfstoffen

Massenimpfungen sind seit jeher die sicherste Methode, tödliche Krankheiten auszurotten. Sie sind auch ein Beispiel dafür, dass individuelle Freiheiten für das Wohl der Allgemeinheit geopfert werden müssen. Es ist zutiefst verstörend, dass viele intelligente Menschen einen Impfstoff, der zur Bekämpfung dieses Virus entwickelt werden könnte, mehr fürchten als das Virus selbst.
Ein Einwand dagegen lautet, dass die Profit orientierte Pharmaindustrie jede Krankheit ausnutzt, um Geld zu verdienen. Doch die Antwort darauf kann nicht sein, Arzneimittel abzulehnen. Das Hauptproblem mit Big Pharma ist der entfesselte neoliberale Kapitalismus in den Vereinigten Staaten verbunden mit dem Fehlen einer einheitlichen staatlichen Krankenversicherung, was es den Pharmaunternehmen erlaubt, unverschämte Preise für ihre Produkte zu verlangen und sich auf die Produktion der profitabelsten, statt der allgemein nützlichsten Medikamente zu konzentrieren.
Die Antwort darauf ist nicht der Verzicht auf Arzneimittel, sondern die Forderung nach einer stärkeren öffentlichen Aufsicht und Preiskontrolle.
Schließlich sollte die Pharmaindustrie als eine öffentliche Dienstleistung und nicht als Geschäft betrachtet und deshalb verstaatlicht werden, so dass die Einnahmen zur Finanzierung der Forschung eingesetzt werden können und nicht dazu, Dividenden an die Großfinanz zu zahlen.
Die Aussichten unterscheiden sich von Land zu Land. In den Vereinigten Staaten scheint eine gesellschaftliche Kontrolle praktisch unmöglich zu sein, weil die überwiegende Meinung vorherrscht, nur "freies Unternehmertum" könne etwas erreichen. In Frankreich, das gute Erfahrungen mit einer gemischten Wirtschaftsordnung hat, könnte die Verstaatlichung der Pharmaunternehmen politisch durchsetzbar sein - wenn Frankreich nicht unter der Dominanz der Europäischen Union stünde und, weniger direkt, der Vereinigten Staaten, die immer bereit sind, alles zu tun, um sozialistische Maßnahmen überall auf der Welt zu blockieren.

Der Westen ist nicht mehr das Zentrum

Doch der Westen ist nicht mehr das Zentrum der Welt. Die Covid-19-Krise hat die wachsenden Fähigkeiten und die humanere Gesinnung Ostasiens gezeigt. Es wird Impfstoffe geben, die in China, in Russland und in anderen Ländern außerhalb der NATO-Sphäre entwickelt werden. Ihre Erfolge werden das Monopol der westlichen "Big Pharma" brechen.
In Europa, und insbesondere in Frankreich, Italien und Spanien, verstärkt die völlige Desillusionierung über die Europäische Union den Trend, zur nationalen Souveränität zurückzukehren. Und souveräne Staaten, die in der Lage sind, auf die Forderungen ihres Volkes einzugehen, können sich von dem Diktat der Großfinanz lösen, um die Demokratie in angemesseneren Formen zu erneuern.
In Frankreich fordern Gewerkschaften und Progressive einen besseren Schutz der Bevölkerung, angefangen bei all jenen unverzichtbaren Arbeitskräften, die in Krankenhäusern und Lebensmittelgeschäften arbeiten, bei Busfahrern, Lieferanten, all jenen, die von ihren eingesperrten Landsleuten zunehmend geschätzt werden und die entsprechend ihres Dienstes für die Allgemeinheit entlohnt werden müssen.
Vielleicht aufgrund der langen Tradition sozialer Kämpfe in Frankreich, einschließlich der Gelbwesten-Bewegung - die nicht am Ende [4], sondern nur ausgesetzt ist -, kann man sicher sein, dass nach der Ausgangssperre massenhaft Forderungen gestellt werden, die Hirngespinste des neoliberalen Globalismus aufzugeben und ein System aufzubauen, in dem das Wohl der Menschen an erster Stelle steht.
In Deutschland hingegen wollte ein "Linker" im Zusammenhang mit der Corona-Krise eine Petition initiieren, in der Personen über 75 Jahre erklären, dass sie im Krankheitsfall auf medizinische Behandlung verzichten, um jüngeren Menschen den Vortritt zu lassen. Dies ist eine neue Variante der Identitätspolitik, in der Klassifizierung von Menschen nach Gruppen, und ein Schritt zur Wiederbelebung der schlimmsten Eugenik des Nationalsozialismus.
Was ist zivilisiert und was ist barbarisch? Das Beharren auf einem System, das allen die gleiche Fürsorge gewährt, oder die Entscheidung, dass die Älteren für die anderen geopfert werden? Was ist dies anderes als ein Vorschlag, auf Menschenopfer zurückzugreifen, um dem Mammon zu gefallen?

Für die Zivilisation

Einfach nur Alarm zu schlagen, weil die herrschende Klasse schrecklich ist, bringt uns nirgends hin, es sei denn, wir haben eine Vorstellung von einer echten Alternative - nicht nur "Widerstand" zu leisten, sondern etwas anderes und Besseres vorzuschlagen und dafür zu kämpfen.
Beginnen wir mit einem ganz konkreten praktischen Thema und arbeiten wir von dort aus weiter: Impfung. Wie andere Aspekte der Gesundheitsversorgung ist dies eine Frage des kollektiven Wohlergehens und nicht der individuellen Rechte. Es handelt sich nicht um ein Element des "Widerstands gegen Unterdrückung", sondern um die Weiterentwicklung der Zivilisation.
Das Coronavirus hat die Notwendigkeit von Impfstoffen nicht widerlegt - etwa mit der Begründung, dass "sie" sie gegen uns einsetzen wollen -, sondern im Gegenteil, es zeigt wie notwendig es ist, dass Impfstoffe unter angemessener Aufsicht zum Wohle der Allgemeinheit entwickelt werden und nicht als Mittel für Big Pharma, größere Dividenden für BlackRock zu erzielen.
Das Problem mit Impfstoffen ist also nicht die Impfung, sondern der amerikanische Kapitalismus, der völlig außer Kontrolle geraten ist. Einst war die Food and Drug Administration (FDA) ein zuverlässiger Kontrolleur pharmazeutischer Innovationen. In den letzten Jahrzehnten wurden solche Kontrollorgane zunehmend von den Firmen, die sie kontrollieren sollten, übernommen und in bloße Durchwink-Instanzen umgewandelt.
Alarm wird auch wegen der angeblichen Rolle von Milliardären wie Bill Gates geschlagen, dessen philanthropische Institutionen im Verdacht stehen, Impfstoffe für verborgene schändliche Zwecke zu manipulieren.
Abhilfe wird nicht dadurch geschaffen, vor Medikamenten und Impfungen zu fliehen, sondern darin, diese überdimensionierten diktatorischen Mächte zu zerschlagen und eine Gesellschaft aufzubauen, die zu Recht als zivilisiert bezeichnet werden kann, weil sie ein Gleichgewicht zwischen kollektivem und individuellem Wohlergehen herstellt. Natürlich sind es zwei Paar Stiefel, zu sagen, was getan werden sollte und zu wissen, wie man es umsetzen soll. Aber ohne eine Vorstellung davon, was getan werden sollte, wird es nicht einmal Anstrengungen geben, herauszufinden, wie es getan werden sollte.
In den Vereinigten Staaten wäre es unumgänglich, bestimmte wesentliche Tätigkeiten als öffentliche Dienstleistungen zu betrachten. Dies erfordert eine Reformdynamik, die einer Revolution gleichkommt, nicht, wie von marxistische Revolutionären für Situationen beschrieben, die es nicht mehr gibt. Arzneimittel und Krankenhäuser sind öffentliche Dienstleistungen und müssen gesellschaftlich kontrolliert werden. Das Internet ist zu einem öffentlichen Dienst geworden.
Wie sollte man damit umgehen? Innovatoren, die sich der Mechanismen des freien Marktes bedient haben, um als Monopol ihren Sektor zu kontrollieren, sollten dazu angehalten werden, eine ihrer Villen als Residenz zu behalten, wenn sie sich in die Rolle des Beraters zurückziehen. Ihre unverhältnismäßig hohen akkumulierten Gewinne sollten in die Staatskasse einfließen.
Ich befürworte keine "kommunistische Revolution", schon gar nicht für die Vereinigten Staaten. Ich plädiere für eine gemischte Wirtschaftsordnung, die verschiedene Formen annehmen kann, vom Frankreich der 1960er Jahre bis zum heutigen China. Die Schalthebel über die Wirtschaft sollten unter gesellschaftlicher Kontrolle stehen, um sicherzustellen, dass größere Investitionen einem sozialen Zweck dienen.
Die Formen dieser Kontrolle können variieren. In den Vereinigten Staaten sollte die erste Aufgabe der Tonangebenden sein, nicht mehr in die aberwitzig verheerende Waffenproduktion und stattdessen in die heimische Infrastruktur und in Maßnahmen zur Integration aller Bürger in eine wirklich zivilisierte Gesellschaft zu investieren. Eine solche gemischte Wirtschaftsordnung schafft ein günstiges Umfeld für den Zuwachs an kleineren unabhängigen Unternehmen, die innovativ werden können.
Mir ist vollkommen bewusst, dass die Vereinigten Staaten heute ideologisch Lichtjahre von einem solch vernünftigen Projekt entfernt sind. Aber in anderen Ländern sind Entwicklungen im Gange, um der Bedrohung durch Big Pharma und die Einmischung amerikanischer Milliardäre etwas entgegenzusetzen. Der Begriff, der für diese Entwicklungen steht, ist "Multipolarisierung".
Das ist der von Wladimir Putin 2007 lancierte Slogan. Damit trieb er die westlichen Champions der unipolaren Globalisierung in Rage. Davon haben sie sich noch lange nicht erholt. Man denke nur an das überaus provozierende "Defender Europe 20"-Militärmanöver, einer Atomkriegsübung direkt an der russischen Grenze - von Covid-19 vorübergehend ausgesetzt.
Die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Satelliten führen faktisch Krieg gegen die Freie Welt - das heißt gegen Länder, die frei sind von US-Dominanz -, um ein imaginäres globales neoliberales Regime durchzusetzen: eine durch manipulierte Wahlen gebilligte Finanzherrschaft.
Dennoch ist die unipolare Globalisierung im Begriff, sich aufzulösen. Alle Diffamierungen Chinas können die Tatsachen nicht ändern. Während die US-Propagandisten ihren aufsteigenden Rivalen mit ätzender Kritik überziehen, sieht ein Großteil der Welt, dass China mit der Epidemie mit mehr professionellem Know-how umgegangen ist als der Westen. Die Kontrolle der Vereinigten Staaten über internationale Organisationen wird durch den wachsenden chinesischen Einfluss - insbesondere in der Weltgesundheitsorganisation - bedroht.
Das ist die größte Bedrohung für Big Pharma: eine multipolare Welt. Bill Gates und die US-Pharmaunternehmen werden kein Monopol an der Entwicklung von Impfstoffen zur Bekämpfung von Covid-19 haben. Eine dramatische Verschiebung von der neoliberalen Globalisierung hin zu einer multipolaren nationalen Souveränität wird einen echten Wettbewerb wiederherstellen - nicht nur bei der Produktion von Impfstoffen, sondern auch bei der gesellschaftlichen Organisation.
Mögen die westlichen Länder sich um ihre eigenen Probleme kümmern und Lösungen finden. Mögen andere Länder sich nach Leitbildern entwickeln, die ihrer Geschichte, Philosophie und den Forderungen ihrer Völker entsprechen. Es liegt auf der Hand, dass die vielgerühmte "freie Marktdemokratie" der USA kein Modell ist, das jedem Land der Erde, ja nicht einmal den Vereinigten Staaten selbst, aufgezwungen werden sollte.
Die gemischte Wirtschaftsordnung kann verschiedene Formen annehmen. Einige könnten sich zu etwas entwickeln, was man als Sozialismus bezeichnen könnte, andere nicht. Möge jedes kleine Land so unabhängig sein wie Island. Möge die Welt verschiedene Wege beschreiten. Lasst hundert Blumen blühen!
Diana Johnstone ist eine US-amerikanische Journalistin und Autorin. Sie war in der studentischen Anti-Vietnamkriegsbewegung, später in der europäischen Friedensbewegung aktiv. Sie studierte russische Regionalwissenschaft/ Slawistik, promovierte in französischer Literatur und hat mehrere Bücher veröffentlicht, u.a. "Die Chaos-Königin: Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht" (2016).

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4709703
Links in diesem Artikel:
[1] https://consortiumnews.com/tag/diana-johnstone/
[2] https://consortiumnews.com/2020/04/10/covid-19-coronavirus-and-civilization
[3] https://www.youtube.com/watch?v=JBB9bA-gXL4&feature=youtu.be
[4] https://www.youtube.com/watch?v=sqphJk4T48A