Thursday, July 14, 2016

Jüngstes US-NATO-Mafia-Verhalten gegenüber deutscher Regierung

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Sitzung des Bundestages und Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am 7.7.2016

„Der große Außenpolitiker George F. Kennan hat die NATO-Osterweiterung schon Ende der Neunziger als den verhängnisvollsten Fehler der US-Politik seit der Ära des Kalten Krieges bezeichnet, eben weil die Einkreisung Russlands den Weltfrieden nicht sichert, sondern gefährdet. Und trotzdem wird sie immer weiter vorangetrieben.“ Darauf hat die Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE Sahra Wagenknecht in ihrer Rede vor dem Bundestag am 7.7. explizit aufmerksam gemacht. Dass die Bundeskanzlerin diese Erkenntnis nicht hat und deshalb keine vernünftige Entscheidungen daraus ableiten kann, manifestiert in der Tat eine extreme Unverantwortlichkeit angesichts der Zuspitzung der Lage, die die NATO ununterbrochen betreibt. Eine solche Blindheit im Bundeskanzleramt ist aber nicht glaubwürdig oder verständlich, vor allem in Anbetracht der doppelten Warnung, die das Bundeskanzleramt von höchsten glaubwürdigen Autoritäten vor dem NATO-Gipfel in Warschau erreichte: Erstens von hohen CIA-Mitarbeitern a.D. und zweitens vom Botschafter a.D. und Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger.

Wahrscheinlichkeit eines militärischen Zusammenstoßes stark gestiegen – Entspannungskurs von Deutschland erwartet

Im September 2014 hatte sich eine Gruppe früherer US-amerikanischer Geheimdienstmitarbeiter in einem offenen Brief an die deutsche Regierung gewandt. Sie warnten nach dem Putsch in der Ukraine vor einer Eskalation; vor dem NATO-Gipfel in Warschau (8./9.7.) meldeten sie sich erneut zu Wort. „Die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Zusammenstoßes – versehentlich oder intendiert - ist stark gestiegen; umso mehr seit Präsident Obamas Einfluss auf die führenden Generäle der USA und der NATO, von denen manche Cowboy spielen wollen, schwächelt“. So schrieben US-Amerikaner am Mittwoch 6.7. „Es gibt nicht den Hauch eines Beweises, dass Russland irgendwelche Pläne für eine Annexion der Kim hatte, bevor es zum Staatsstreich in Kiew (23.2.2014) und dem Gerede der Putschisten über einen NATO-Beitritt der Ukraine kam... Solange die oberste NATO-Führung unwillig oder unfähig ist, zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden, ist steigende Spannung mit potentiell desaströsen Auswirkungen unvermeidlich - all das ist unnötig und vermeidbar.“ So heißt es im offenen Brief. Von Deutschland erhoffen sie sich einen Entspannungskurs. (Aus dem Artikel: „Moskau bleibt NATO-Ziel“ von .- Junge Welt, 8.7.16)

Warnung vor Krieg am Tag vor dem NATO-Gipfel

Merkels Regierungserklärung ist aber als eine eindeutige Absage an die Normalisierung der Russlands-Politik ganz im Ton und Einklang mit dem NATO-Generalsekretär. Wolfgang Ischinger machte seine Warnung am Tag vor dem NATO-Gipfel publik. Er erklärte am 7.7., noch nie sei die Gefahr so groß gewesen, dass Aktion und Reaktion zwischen Russland und der NATO in einem Krieg enden könnten. („Ende der Defensive“, SZ 8.7.)

Widersprüchlichkeit zwischen Abschreckung und Dialog muss klar sein


Dass Merkel diese Gefahr und Eskalation nicht sieht, ist höchst unwahrscheinlich. Als Physikerin ist sie geschult, Ursache und Wirkung zu unterscheiden und beides klar zu erkennen. Als Wissenschaftlerin ist sie auch gebildet, einen Gegensatz zu erkennen, wie die krasse eindeutige Widersprüchlichkeit zwischen einer grobe Abschreckung mit Militärmanövern an der Grenze Russlands und einen angeblich angestrebten Dialog mit demselben Land, das die NATO unter Beteiligung Deutschlands in so großem Maß provoziert und militärisch bedroht. Deshalb fragt sich jeder aufmerksame Beobachter dieser unbegreiflichen Haltung der Bundeskanzlerin, was wohl im Bundeskanzleramt los sei.

Steinmeier zur US-NATO-Mafia unbotmäßig – größtmöglicher Druck die Folge

In dem Moment, als der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier die NATO zu ihrem Säbelrasseln ermahnte und seine Besorgnis um das Verhältnis zu Russland äußerte, müssen bei den NATO-Kriegstreibern alle Alarmglocken geschrillt haben: Die deutsche Führung wagt sich erneut vor und kritisiert öffentlich die NATO in Gestalt ihres Außenministers. Wie bei großen Mafia-Bossen in solchen Fällen der offenen Widerspenstigkeit üblich, entschieden die Mächtigen der NATO, ohne Verzögerung den größtmöglichen Druck auszuüben und den Hebel bei der deutschen Regierung anzusetzen, und zwar dort, wo Deutschland am meisten Schwäche zeigt, vor allem bei VW und der Deutschen Bank. Das erklärt, warum Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und nicht das eigentlich für Militärangelegenheiten zuständige Ministerium für Verteidigung gegen den Außenminister Walter Steinmeier reagierte, um den Außenminister, der sich gegenüber der US-NATO-Mafia unbotmäßig zeigte, zum Schweigen zu zwingen und die US-Mafia-Drohung abzuwenden. Infolgedessen blieb Frank-Walter Steinmeier stumm vor dem Bundestag und Angela Merkel musste die unwürdige Aufgabe erfüllen, unglaubwürdigerweise die Position Berlins an der Seite der NATO unmissverständlich zu zusichern (7.7.).

Weiteres Zeichen der Erpressung seitens der US-NATO-Mafia

Ein weiteres Zeichen der Erpressung seitens der US-NATO-Mafia ist der Bruch des Widerstands Berlins, was die NATO beim Kampf gegen den sogenannten IS angeht. Der Wunsch der USA nach einer stärkeren Rolle der NATO beim Kampf gegen den IS stieß zuerst in Berlin auf klare Ablehnung. Auch ein Operieren von Awacs-Flugzeugen der NATO über syrischem Luftraum stand nicht zur Debatte, hieß es aus dem deutschen Verteidigungsministerium. Jetzt, Wochen später, hat Berlin auf dem NATO-Gipfel in Warschau prompt und abrupt seine eindeutige Ablehnung diesbezüglich aufgegeben. In den Korridoren während des NATO-Gipfels in Warschau (8./9.7.) zirkulierte das Wort „Erpressung“ im Zusammenhang mit der Gipfel-Vorgeschichte. Das geschah wohl derart penetrant, dass sich der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg veranlasst sah, die öffentliche Aufmerksamkeit davon abzulenken und stattdessen Russland der Erpressung zu bezichtigen: Die NATO müsse „ihre Abschreckung bedeutend stärken“, damit eine „Politik der Erpressung und Aggression sich nicht bezahlt macht“. Mit diesem dummen Unfug wurde die Sache erst recht klar und die NATO bloßgestellt. Für jeden aufmerksamen Beobachter erkennbar verliert die NATO-Führung leicht jede Sachlichkeit und verfällt in bloßen Humbug, wenn sie sich entlarvt sieht. Es muss offenbar um dieses Überbleibsel aus dem Kalten Krieg wirklich schlecht bestellt sein.

Regierungen von Polen und baltischen Staaten: Marionetten der Kriegstreiber oder völlig verirrte Politikerherden

Höchst bedauerlich und Anlass zur Sorge stellt die Rolle der baltischen und polnischen Regierungen dar, die sich als Instabilitätsfaktoren in Europa erweisen. Solche Regierungen handeln als Marionetten der Kriegstreiber oder als völlig verirrte Politikerherden, die nicht wissen oder nicht imstande sind, eine pragmatische Kooperation und guten Beziehungen mit ihren Nachbarn zu gestalten. Warschau scheint vergessen zu haben, wie aggressiv sich Polen selbst gebärdete, kurz nachdem es wieder einen eigenen Staat darstellte (1918) und in das junge Sowjetrussland einmarschierte (polnisch-sowjetischer Krieg 1919-1921 mit über 300.000 Toten allein auf sowjetrussischer Seite) und dank seines Sieges seine Grenze stellenweise bis zu 250 km Richtung Osten verschob. Wie fühlt sich das in der Geschichte Europas an? Friedfertig sympathisch? Anstatt den aggressiven NATO-Trend in Europa zu bremsen, hetzen die US-hörigen Regierungen Polens und der baltischen Republiken die NATO zu völlig unverantwortlichen Provokationen und NATO-Militärpräsenz in unmittelbarer Nähe zu Russland auf und eskalieren damit weiter die Spannungen mit diesem europäischen Nachbarland.

Fehlende gesamt-europäische Sicherheitsstruktur öffnet der mörderisch-aggressiven US-Außenpolitik Tür und Tor


Dieses Vorgehen wirkt sich sehr störend auf den Ausbau guter Beziehungen zu Russland aus. Die politische Entwicklung eines wünschenswerten, selbstbewussten souveränen Deutschlands ist aber nicht zu bremsen. Gerade die fehlende gesamt-europäische Sicherheitsstruktur öffnet der mörderisch-aggressiven US-Außenpolitik Tür und Tor, eine US-Außenpolitik, die Terror und Gewalt betreibt. Gerade die USA und die EU – nicht Russland - haben wiederholt und eklatant Rechtsbruch begangen bei ihren Inkursionen und militärischen Interventionen gegen das Prinzip des Gewaltverbots. Der völkerrechtswidrige NATO-Angriff auf Jugoslawien ist nur der erste Angriffskrieg gegen ein europäisches Land (1999) nach der Niederlage von Nazi-Deutschland. Der US-Präsident Obama darf diesen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien unter Clinton nicht vergessen. Er irrte sich gewaltig, als er behauptete, kein europäischer Staat hätte einen anderen europäischen Staat angegriffen. Die Ignoranz und der Verstoß gegen Recht und Gesetz ist krasses Kennzeichen eines ungezügelten Faschismus. Jugoslawien war vor seinem Zerfall ein europäischer Staat und zugleich Gründungsstaat der Vereinten Nationen. Dieser europäische Staat wurde von europäischen NATO-Staaten mit Bomben angegriffen.

NATO-Monstrosität eine reale Gefahr für Europa und den Weltfrieden


Die Falschheit der NATO ist erneut durch ihren Generalsekretär bloßgestellt. Jens Stoltenberg verkehrt vorsätzlich die Weltverhältnisse, um die NATO-Aggressivität als „defensiv und verhältnismäßig“ zu vertuschen. Deshalb ignoriert er die Feststellung des jüngsten SIPRI-Berichts, der das militärische Ungleichgewicht, ja, die völlige Unverhältnismäßigkeit zwischen der militärischen Stärke der NATO-Staaten und Russlands klarstellt. Nicht nur für die Regierung Deutschlands, sondern für alle anderen europäischen Regierungen ist die NATO-Monstrosität eine reale Gefahr für Europa und den Weltfrieden.

NATO als aggressives Bündnis in Europa schon 1999: NATO-Bomben auf Rest-Jugoslawien


Ganz grundsätzlich betrachtet führt uns nur eine umfassende präzise Darstellung der Ereignisse das Verhalten der NATO vor Augen, nicht jedoch die falschen Äußerungen ihres Generalsekretärs, der offensichtlich in erster Linie Verwirrung stiften will, damit die Klärung der Fakten unterbleibt. Schon vor Jahren demaskierte sich die NATO als Aggressor in Europa, als NATO-Bomben von März bis Juli 1999 auf Belgrad und Rest-Jugoslawien fielen, und mitten in Europa Menschen von US-geführtem Kriegsterror getroffen wurden. Die NATO entlarvte dabei, wie grausam ihre ungeheuerliche vernichtende Aggressivität und Gefährlichkeit in Europa ist und zeigte so der ganzen Welt mit abscheulicher Brutalität, worin ihre Abschreckungsstrategie besteht und wohin sie führt. Diese Ereignisse unleugbarer NATO-Aggression sind niemals aufgeklärt worden und folgenlos geblieben. Der völkerrechtswidrige NATO-Angriff auf Jugoslawien war nur der erste Angriffskrieg gegen ein europäisches Land (1999) nach der Niederlage von Nazi-Deutschland. Er widerlegte schon damals auf brutale Weise und definitiv die Behauptung der NATO, ein „defensives Bündnis“ zu sein.

Wahrnehmungsproblem bei deutschem Führungspersonal

Wer nicht zur Kenntnis zu nehmen wünscht, was die Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrem unkontrollierten industriellen Militärkomplex wirklich darstellen, nämlich die mächtigste Militärmacht der Welt, die sich weigert im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit und zivilisiertern Normen zu handeln und sich zu verhalten, die seit langem das Völkerrecht einseitig herunterspielt und nicht anerkennt, die unzählige Male gegen UN-Resolutionen, Abmachungen und Abrüstungsverträge verstoßen hat und insofern die friedliebende Staatengemeinschaft permanent brüskiert, wer das alles nicht wahrhaben will, der hat ein Wahrnehmungsproblem, sei es aus Naivität, aus blindem Pflichtgefühl zur Loyalität gegenüber US-Regierungspositionen, aus Feigheit, aus Bewunderung oder aus bequemer lang gewohnter Ergebenheit gegenüber der Macht der Stärkeren. Das alles ist in Deutschland – besonders beim Führungspersonal aus der alten westdeutschen Bundesrepublik – an Motiven vertreten.

Frage an das gesamte politische Spektrum: Wie befreit sich Deutschland?


Über ein halbes Jahrhundert extreme politische US-Abhängigkeit hat ihre Spuren hinterlassen: Einstellungen und Verhaltensmuster in den politischen Kreisen und in den Medien sind in gewisser Weise aus dieser langen vergeudeten Zeit konditioniert. Nun steht die Bundeskanzlerin vor der schweren Aufgabe, diese tradierten Lasten gänzlich abzuwerfen. Sie hat sicherlich kein Wahrnehmungsproblem. Sie war aufgrund von erpresserischen Vorgängen gezwungen, die Hardlinerin im Bundestag vor dem NATO-Gipfel zu spielen und sich so der US-NATO-Linie unterzuordnen. Das stellt die dringende Frage an das gesamte politische Spektrum: Wie befreit sich Deutschland? Eine Frage, die alle Parteien einigen sollten, um schleunigst eine gemeinsame Antwort zu finden. Es geht schließlich um die Existenzsicherung von Deutschland und Europa.


Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war jüngstes Mitglied im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.

Online-Flyer Nr. 570  vom 13.07.2016 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22952