Monday, September 1, 2014

75 Jahre nach Beginn des II. Großen Völkermordens - Ein Beitrag zum Antikriegstag 2014 von Irene Eckert



Gaza – Ukraine - Nordirak – Russland - Syrien: Wider die verordneten wahrheitswidrigen Sprachregelungen


Bereits im alten China wusste Konfutse, dass die Richtigstellung der Begriffe eine der ersten Voraussetzungen für gutes Regieren ist. Das Wirken des antiken Philosophen der Alten Welt zielte auf „good governance“, auf Balance und Harmonie im Staate. Der Herrscher möge nicht dulden, dass in den Worten etwas in Unordnung kommt, das sei es, worauf alles ankäme, meinte der große Denker und Staatsberater der Antike.

In einer modernen Demokratie sollte laut klassischer Lehre das Volk herrschen. Demos das Volk, kratein die Herrschaft, so wollten es die alten Griechen, wenngleich auf Basis eines verengten Volksbegriffes. Folgt man dem Ansinnen des weisen chinesischen Staatstheoretikers Konfutse, so bestünde die erste Pflicht der Bürger einer Demokratie heutzutage nach wie vor darin, für Klarheit in den Begriffen zu sorgen. Die in öffentlicher Sprache verwendeten Worte müssten zum Ausdruck bringen, was sie zu sagen vorgeben. Das aber ist in unserem Lande schon lange nicht mehr der Fall. In allen sogenannten postmodernen Gesellschaften des Westens ist jederzeit alles möglich. Frei nach der Musical Komödie “anything goes“, tanzen wir alle nach der amerikanischen Melodie. Es herrscht demnach die 'Große Unordnung' und dies nicht nur in der Welt der Begriffe. Die überdimensionierte herrschende Unordnung trägt Sorge dafür, dass die Sprache stündlich weiter verunreinigt und die Begriffe bis zur Unkenntlichkeit verdreht werden, bis dass uns Hören und Sehen vergehen, bis dass wir Krieg für Frieden halten und die Ausführung von Massakern für menschenrechtlich gebotene „Sicherheitsvorkehrungen“.

Die „Große Hure Babylon“ hat uns im Griff. Sie verdreht uns sämtliche Sinne und das Verständnis dafür, was Recht und Unrecht ist. Der innovative Dramatiker Bert Brecht kennzeichnete mit diesem biblischen Bilde den neuzeitlichen Faschismus und den Krieg, den dieser stets aufs Neue im Schoße trägt. Um die Falschheit der Zustände zu überwinden, bedürfe es nach Ansicht der alten Denker und Dichter, begrifflicher Klarheit. Die richtigen Namen müssten gefunden werden und die Lügen seien vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Besinnen wir uns auf die lange verpönte Erfahrung der Alten und benennen wir die Dinge mit ihren richtigen Namen. Fangen wir an mit dem Aktuellsten, den jüngsten Vorgängen in GAZA, in der OST-UKRAINE und im weiteren Nahen Osten. Es sind dies Gebiete, wo derzeit die schlimmst denkbare Unordnung menschliches Leben fast gänzlich zu verunmöglichen droht.

Unstrittig ist die dort zu beobachtende Verrohung der Sitten und Gebräuche. Die Vorgehensweise der Akteure stellt jedes bisher dagewesene Unrecht noch in den Schatten, spricht jeglichem Menschen- und Völkerrecht Hohn. Der zu erwartende Aufschrei des Menschengeschlechts, der die Henker bei ihrem wahren Namen nennt, bleibt aber aus, weil Ursache und Wirkung durcheinandergebracht, weil Täter und Opfer ausgetauscht oder doch gleichgesetzt, weil die Tatsachen mit falschen Namen versehen werden.
Bemühen wir uns also um Richtigstellung der Dinge, drehen wir die Sprachverwirrspiele der PR-Strategen um, entzerren wir deren Verwirbelungen, sagen wir, was ist:

Kein Kieg herrscht in GAZA. Die israelische Armee führt vielmehr einen Ausrottungsfeldzug gegen die überlebenden Opfer ihrer jahrezehntelangen Enteignungs- und Entwürdigungspolitik



Nur mühsam kaschiert mitttels eines fadenscheinigen Vorwandes wurde 6 Wochen lang (vom 8. Juli - 23. August) ein Massaker an unbewaffneten, eingesperrten, lange schon depravierten Menschen im abgeriegelten, kasernierten GAZA exekutiert. Das verbrecherische Vorgehen erhielt die schönfärberische Kennzeichnung 'Protective Shield' -'Fels in der Brandung'. Schutzmaßnahmen wurden vorgeschoben, Sicherheitsinteressen einer bis an die Zähne bewaffneten Besatzungsmacht geheuchelt.

Als 'Kollateralschaden' zur Verteidigung westlicher 'Zivilisation' und ihrer 'Werte' werden wieder einmal die Menschenopfer, diesmal 2.122 an der Zahl und 10.621 Verletzte geführt. Gar nicht zu reden von der schrecklichen Bilanz an materiellen Schäden.

Eine solche Sprache muss als zutiefst inhuman zurückgewiesen werden.

Es gibt im GAZA-'KONFLIKT' keine zwei Seiten, die da gegen einander angetreten sind im Kampfe. Was jenseits des Mittelmeeres zum wiederholten Mal vor sich ging, über anderthalb Monate lang, das ist kein kriegerisch ausgetragener 'Konflikt', das ist vielmehr ein großangelegtes Pogrom, ausgeführt mit modernster Kampftechnik gegen eine mehr oder weniger wehrlose, seit Jahren von der Außenwelt abgeschnittene Bevölkerung. Im einst wunderbaren, vom Handelsvolk der Philister bevölkerten Küstenstreifen am Mittelmeer werden seit 7 Jahren seine 1,8 Millionen Bewohner in einem Freiluft-KZ festgehalten. Die dort hausenden, bereits schon einmal heimatlos gemachten Flüchtlinge werden von einer vom WESTEN hochgerüsteten Besatzungsmacht systematisch daran gehindert, sich mit Hife eigener Möglichkeiten am Leben zu halten. Sie dürfen weder die Erde bestellen, noch etwas produzieren, noch Handel treiben, noch fischen, noch sich gefahrlos am Strand aufhalten, noch sollen ihre Kinder zur Schule gehen. Selbst die heuchlerisch von der internationalen Gemeinschaft der UNO dafür bereit gestellten Institutionen wurden wieder und wieder feige aus der Luft bombardiert. Der Sprache und Bewusstsein regulierende Vorwand:

Die radikal-islamische Hamas nutze Schulen, Krankenhäuser und Moscheen und heimatlose Flüchtlinge, die dort campieren als lebende Schutzschilder und als Waffenlager.“

Derartige, jegliches Völkerrecht ignorierende Klischees und jedes Rechtsbewusstsein aushebelnden Formulierungen sind zurückzuweisen und zwar ohne jedes Wenn und Aber.

Der ganze Landstrich musste schon vor dem Einsetzen des dritten israelischen Vernichtungsfeldzuges mit steter Regelmäßigkeit als Versuchsfeld für moderne Waffentechnik aus der Luft herhalten. Ausprobiert wurden Drohnen zur gezielten Tötung unerwünschter Personen, Phosphorbomben, Dime-Munition und so manches mehr.
Die immer fadenscheiniger werdenden, völkerrechtlich unhaltbaren Vorwände für derlei menschenverachtendes Vorgehen verweisen gebetsmühlenartig auf „Raketenangriffe der radikal-islamischen Hamas“. Weggewischt wird mit dieser verordneten Sprachregelung vieles.
Die Sprache soll vergessen machen, dass die Hamas a) von Israel einst als Gegenkraft zur PLO ins Leben gerufen wurde b) dass sie heute die gewählte Vertreterin des palästinensischen Volkes ist und bis vor kurzem einzig verbliebene, funktionierende Ordnungsmacht im hermetisch abgeriegelten GAZA-Streifen, c) dass dem unter Besatzung gezwungenen GAZA-Landstrich und seinen Vertretern ein völkerrechtlich verbrieftes Selbstverteidungs- und Widerstandsrecht zusteht und last not least, dass die überwiegend selbstgebastelten Raketen der GAZA-Bewohner so gut wie keinen Schaden auf seiten der Besatzungsmacht anzurichten vermögen, falls deren Daten zu trauen ist.
Zu bedenken ist bei der obigen Wortwahl auch, dass die jüngste „Entführung“ dreier israelischer Talmud-Schüler im Westjordanland nicht in GAZA stattfand, sondern eben im Westjordanland, das nicht von der HAMAS verwaltet. Die für den Tod der jungen Siedlerburschen Verantwortlichen sind bis heute nicht ausgemacht. Ganz zu schweigen von dem unerhörten Lynchmord an einem unschuldigen palästinensischen Kind, das israelische Fanatiker bei lebendigem Leibe zu verbrennen entschieden haben.

Die Vorwände, unter denen sich der angeblich demokratische Staat Israel auf sein heiliges „Selbstverteidigungsrecht“ beruft, sind also haltlos, an den Haaren herbeigezogen und möglicherweise sogar inszeniert. Ungeachtet der noch zu klärenden wirklichen Abläufe gilt das Völkerrecht für alle Nationen groß und klein, ebenso das Recht auf Selbstverteidigung.
So weit zur angemessenen Kennzeichnung der humanitären Tragödie in Gaza, von deren ökologischen, ökonomischen, geopolitischen und völkerrechtlichen Folgen in naher Zukunft noch zu reden sein wird.

Die langanhaltende Tragödie in Nahost wird aber im zurückliegenden Sommer fast noch in den Schatten gestellt durch zwei weitere asymmetische Kriegsfronten, die mit falschen Namen und Zuschreibungen gekennzeichnet werden und die das Potenial eines III. Großen Krieges in sich bergen.
In der Ost-Ukraine findet kein „Bürgerkrieg“ statt: Es gibt keine „Separatisten“, „Rebellen“ oder gar „Terroristen“, die die Zentralregierung in Kiew herausfordern.

Eher wird umgekehrt ein Schuh draus. Die von außerhalb inthronisierten Rebellen, die Putschisten, die Terroristen bilden in Kiew die nicht demokratisch legitimierte Regierung. Diese ist beauftragt und gar selbst daran interessiert, gegen einen unerwünschten, weil originär russischen Teil der Bevölkerung im reicheren, industriellen Osten vorzugehen und diesen sogar physisch zu eliminieren. Der so ins Visier genommene Teil der Nation wehrt sich gegen die Übergriffe, fordert ihm verfassungsmäßig zustehende Rechte ein, bildet Selbstverteidungskräfte.

Wenngleich die Ost-Ukrainer noch nicht so lange leiden wie das palästinensische Volk, so ist doch gleichwohl ihr Schicksal nach dem Niedergang der Sowjetunion beklagenswert. Der ehemals konstitutive Teil der föderalen Sowjetunion, die Ukraine, war schon vor dem Maidan-Putsch zu einem der ärmsten Länder der Welt herabgesunken.

Die vom Westen, ganz besonders von den USA, ausgehaltenen Putschisten aber, haben kurz nach ihrer Machtübernahme im Februar damit begonnen, ethnische Säuberungen an einem Teil ihrer Bevölkerung vorzunehmen. Was einst als Verbrechen gegen die Menschlichkeit galt (und im Falle Jugoslawiens gar als geheuchelte Kriegsursache herhalten musste), scheint in den Augen der Macher von US-Gnaden in der Ukraine noch nicht einmal mehr ein Kavaliersdelikt. Die Schuld für ihr teuflisches Vorgehen (Abfackeln des Gewerkschaftshauses in Odessa, Abschuss der malaysischen Verkehrsmaschine MH17) schieben sie in Orwellscher Manier auf die von ihren Machenschaften betroffenen Bevölkerungsteile, die sich begreiflicherweise ihrer Haut zu wehren suchen, beziehungsweise auf die mit ihnen verwandten und mit ihnen sympathisierenden Russen. Man versucht, die russischsprachigen Bewohner ihrer Sprache und alles anderen zu berauben (!), man versucht ihnen dazu auch noch den Beistand ihrer natürlichen Verbündeten zu entziehen. Die sonst so eilfertig zitierte „Repsonsibility to Protect“ gilt nicht für die russischstämmigen Ostukrainer, selbst humanitärer Beistand soll ihnen vorenthalten werden, denn man schiebt ihnen eines der perfidesten Verbrechen überhaupt in die Schuhe, den Abschuss einer zivilen Verkehrsmaschine und den Tod von 298 unschuldigen Passagieren.

Man schimpft Bürger, die ihre nacke Haut verteidigen als „Separatisten und Terroristen“. Man zwingt friedliche Menschen, zu Waffen zu greifen, man reagiert mit modernster Kriegsmaschinerie, die von Söldnern bedient werden muss, da die Eigenen desertieren oder den Gestellungsbefehl veweigern. Da ist es nahliegend, dass der gewünschte Erfolg ausbleiben muss.

Das gerechte Anliegen der Bürger der Ost-Ukraine, die von ihrem demokratischen Recht Gebrauch gemacht haben, die Kiewer nicht zu wählen, das Anliegen Bürger, die von Anfang an nur eine föderalistische Lösung, Gesprächsbeteiligung und Mitbestimmung gefordert haben, wird am Ende siegen. Jene aber, von denen in Wirklichkeit der Terror ausgeht und die noch als Biedermänner und Legalisten auftreten, obwohl sie das gesamte Land ruinieren und ihren Geldgebern in der EU und der NATO zum Fraße vorwerfen, werden von der Bühne der Geschichte abtreten müssen.
Noch aber gilt die Ukraine als der weiche Unterbauch des russischen Bären, an dessen unermessliche Rohstoffe der Westen um ein Sonst heran will. Vor dem GAZA-Streifen lagern nur reiche Öl- und Gasvorräte auf die imperiale Interessen ihre Gier gerichtet haben. Auf das weite Russland und seine unermesslichen Bodenschätze aber sind diese schon lange scharf. Die Zerstörung des Sowjetreiches, im ersten Anlauf nicht gelungen, war nur ein Schritt näher heran an das Eingemachte.

Kein „Krieg gegen den islamistischen Terror“ im weiteren Nahen Osten , vielmehr zielen islamistische Marionetten auf Beseitigung unliebsamer Regime: „Regime Change“

Wollte man wirklich dem menschenverachtenden Söldner-Terror, perverser Weise im Gewande des Islam agierend, in Syrien und im Nord-Irak ein Ende setzen, dann dürfte man in Vergangenheit und Gegenwart nicht gerade jene säkularen Regime schwächen, die nichts, aber auch gar nichts mit den „Islamisten“ gemein haben. Statt die demokratie - und menschenrechtsfeindlichen Golf-Monarchien zu hätscheln, den Herd des islamistischen Terrors, müsste man diese Lieblingskinder des Imperiums an den Pranger stellen. Diese mittelalterlich strukturierten Zwergstaaten haben so wenig mit dem Islam gemein, wie Israel und seine Zionisten mit dem Wesen des Judentums oder die Kreuzzügler mit der Botschaft Jesu Christi. Islam und Shalom sind urspünglich Vokabeln, die für Frieden stehen. Unter dem Einfluss des Islam sind einst großartige reiche Kulturen bis weit nach Asien hin und bis tief in den afrikanischen Kontinent entstanden. Im Zeichen des seiner Natur nach toleranten Islam wurden wertvolle humanistische Werte geschaffen. Heute  aber gilt die Formel Islam = Terror, so weit ist die Begriffsverwirrung gediehen. Die vor den EU/SA-NATO - Militärinternventionen säkularen Regime in Afghanistan (1979/2001), Irak (2003) Libyen (2011), Yemen, Sudan, Mali, Pakistan mussten künstlich im Sinne des Fundamentalismus 'islamisiert' werden,  bevor man dann in den selbst gezeugten islamistischen „Zauberlehrlingen“ von den Taliban in Afghanistan, über Osama bin Laden allerorten oder Boko Haram in Nigeria bis zu Isis oder Isil im Nord-Irak und in den Kurdengebieten Syriens und unter weiteren Namen überall in der Welt einen Grund für verschärfte Waffenlieferungen und die „Ausweitung der Kampfzone“ fand.

Vorbei scheint der Menschheitstraum vom Frieden, vergessen scheinen des Aufklärers Lessing großartige Literaturfiguren, der Jude Nathan und der syrische Muslimherrscher Saladin, die über Unrechts-Gräben hinweg Frieden zu schaffen verstanden.

Regime wie das von Bashar al Assad, der sogar den USA gegenüber die offene Hand zum gemeinsamen Kampf gegen die islamistischen Banden ausstreckt, werden als unwürdig ignoriert. Gelten doch sie als die eigentlich bösen Buben, weil sie genau wie etwa Russland und der Iran ihre nationalen Reichtümer und Errungeschaften nicht umsonst herausrücken. Syrien birgt Gasvorräte und gilt als Durchgangsroute für Energietransporte und mehr. Syrien ist Einfallstor gen Iran, gen Russland und am Ende natürlich gen China. Syrien soll von Marionetten des Westens vom Schlage Poroschenko regiert werden und nicht von einem Fähnlein Aufrechter unter Assads Leitung. Solch ehrlicher Vaterlandsverteidiger von Lumumba über Milosevic bis Gaddhafi wusste man sich schon immer zu entledigen.
Die Sprachregelungen mit Hilfe derer unbötige Staatschefs dämonisiert wurden, bevor man sie schließlich hinrichtete, gleichen jenen, die jetzt massenmedial auf den Präsidenten des großen Russlands angewandt werden. Geführt wird zunächst die sattsam bekannte Sprache des Hasses, jenseits jeglicher Diplomatie. Die großen Medien befinden sich ja in der Hand jener Mächtigen, die glauben, ihre Interessen so am besten sichern zu können.
Die Medienmietlinge und ihre Macher* sitzen allerdings allesamt einem entscheidneden Irrtum auf: Sie halten sich für unüberwindbar. Sie denken kurzfristig, undialektisch und unhistorisch. Wir, die wir darüber hinaus zu sehen vermögen, sind gefordert, ihnen das deutlich zu machen.

Lassen wir nicht zu, dass die menschliche Erinnerung ausgelöscht wird.
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*Zur Abhängigkeit führender Meinungsmacher: Uwe Krügers wichtige Doktorarbeit „Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten - eine kritische Netzwerkanalyse“, Köln 2013



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