Tuesday, July 15, 2014

Putin in Lateinamerika beim BRICS-Gipfel - Impulse für eine Welt jenseits der US-Dominanz: Kein einziger südamerikanischer Staat fehlt beim Treffen der BRICS-Staaten in Fortaleza

Neues Selbstbewußtsein, eigene Entwicklungsbank und Solidarität mit Argentinien: BRICS-Gipfel will Impulse für eine Welt jenseits der US-Dominanz setzen
Von Dieter Schubert
Fußball war gestern. Heute und morgen treffen sich in Fortaleza die Staats- und Regierungschefs Brasiliens, Indiens, Rußlands, Chinas und Südafrikas (BRICS) zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen. Zu erwarten ist keine Routineveranstaltung, sondern womöglich das Ereignis des Jahres. Die Konferenz in der brasilianischen Küstenstadt wird ein starkes Signal an die Staaten der Welt senden, daß die Welt nicht von Washington aus regiert wird. Sowohl die US-Regierung als auch die ebenfalls in der US-Hauptstadt angesiedelten Schwestereinrichtungen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) müssen sich auf stärkere Konkurrenz einstellen.

Auf der Agenda ganz oben steht die Gründung einer eigenen Entwicklungsbank. Hierzu soll (endlich) ein Rahmenvertrag unterzeichnet werden, so daß die Institution ab 2016 ihre Arbeit aufnehmen kann. Diese soll in ihrer Arbeit ein Gegengewicht zu den als Spezialorganisationen der UN getarnten, aber praktisch unter US-Hegemonie stehenden, 1946 in Bretton Woods gegründeten Finanzorganisationen bilden.

Jeder BRICS-Staat werde russischen Regierungsangaben zufolge in den kommenden sieben Jahren zwei Milliarden Dollar (1,47 Milliarden Euro) Kapitalanteile in die Bank einbringen. Sie soll »Neue Entwicklungsbank« heißen und ihren Sitz entweder in Schanghai oder Neu-Delhi haben. Über sie wollen die BRICS-Staaten vor allem Infrastrukturprojekte finanzieren. Zugleich sind in diesem Zusammenhang Maßnahmen geplant, die Rolle des US-Dollars als Handelswährung allmählich durch Geschäfte in den Landeswährungen zu ersetzen. Die BRICS-Staaten werden zudem ihren Anspruch bekräftigen, als Avantgarde der meisten sich entwickelnden Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zu fungieren – auch wenn es so nirgendwo formuliert wird. Doch die Aktivitäten sprechen eine deutliche Sprache. Im Vorfeld besonders aktiv war Wladimir Putin. Rußlands Präsident besuchte unmittelbar vor dem Gipfel eine Reihe von Ländern, von Kuba über Nicaragua bis Argentinien. Die Resultate und Ereignisse: Rußland erläßt Kuba 90 Prozent seiner Altschulden und wird kräftig in die kubanische Ölexploration investieren. Beim Gespräch mit Revolutionsführer Fidel Castro wurden »Gemeinsamkeiten« herausgestellt, von denen in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten keine Rede mehr war (siehe jW vom Montag).

Das Treffen mit Daniel Ortega war kurzfristig anberaumt. Nicaragua hat, den aufstrebenden Nachbarstaat Panama vor Augen, ein ambitioniertes Wirtschaftsreformprogramm aufgelegt. Kernstück ist der Versuch, eine Alternative zum Panamakanal bauen zu wollen – mit chinesischem Know-how und finanziert von Investoren aus dem Reich der Mitte.

Argentinien wurde von Putin Solidarität im Kampf gegen den Staatsbankrott und damit die »Geierfonds« zugesichert. Letztere hatten in den USA ein Gerichtsurteil erfochten, wonach ihnen Argentinien umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro auf alte Staatsanleihen zu zahlen habe, die nicht an den Umschuldungen 2005 und 2010 teilgenommen hatten (jW berichtete). Keine Hoffnung machte Putin Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner auf eine schnellen Mitgliedschaft des Landes in der Gruppe. Es sei derzeit nicht geplant, die BRICS zu erweitern, zitierten ihn russische Medien. An den Treffen Putin-Kirchner nahm nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa auch der Präsident Uruguays, José Mujica, teil. Die ebenfalls eingeladenen Präsidenten Venezuelas und Boliviens, Nicolás Maduro und Evo Morales, fehlten indes.
15.07.2014 / Kapital & Arbeit / Seite 9Inhalt


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