Tuesday, February 18, 2014

Offener Brief an die Bundesverteidigungsministerin Frau Ursula von der Leyen, an Außenmister Frank-Walter Steinmeier und an den Bundespräsidenten Joachim Gauck


Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Bundespräsident,

mit Bestürzung haben wir den für die Zukunft unseres und anderer Länder bedrohlichen Tenor Ihrer Reden auf der Münchner „Sicherheitskonferenz“ zur Kenntnis genommen.

Ihren Ausführungen zufolge soll Deutschland wieder eine Großmachtrolle einnehmen und sich durchaus auch bewaffnet in fremde Händel einmischen dürfen. Unter dem Vorwand einer völkerrechtlich höchst umstrittenen „Schutzverantwortung“ soll uns die moralische Pflicht auferlegt werden, Menschenrechte in anderen Staaten militärisch zu „verteidigen“ und zwar in noch erheblicherem Umfang als das bereits geschieht. „Man könne doch nicht einfach wegsehen oder gleichgültig beiseite stehen“, meint Frau von der Leyen.

Werte Frau von der Leyen, auch wir sehen weder weg, noch stehen wir gleichgültig beiseite.

Wir müssen aber widersprechen, wenn mit Hilfe demagogischer Tricks die Menschen unseres Landes getäuscht werden. Wir müssen ganz entschieden Einspruch erheben, wenn unter Missbrauch unseres menschlichen Mitgefühls Verfassungs- und Völkerrecht als belanglos beiseite geschoben werden. Als verantwortungsbewusste Bürgerinnen werden wir dazu nicht schweigen.

Wir sind berufserfahrene Frauen und Mütter. Als Mitglieder der ältesten internationalen Frauenfriedensorganisation* mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen blicken wir auf unserer diesjährigen Jahreshauptversammlung des deutschen Zweiges in Berlin auf 100 Jahre Geschichte zurück. Wir sehen, dass weder die Sicherheit unseres Volkes, noch das kodifizierte Menschenrecht, noch das Wohlergehen anderer Völker durch den Ausbau des Militärapparats, den Export von immer mehr und immer zerstörerischen Waffen oder gar durch militärische Intervention in die inneren Angelegenheiten souveräner Völker zu gewährleisten sind.

Wir sind weder naive Pazifistinnen noch sind wir „weltabgewandt oder bequem“. Wir sehen also keinesfalls „gleichgültig“ weg, wo Menschenrechte missachtet und mit Füßen getreten werden. Unsere Mitglieder engagieren sich weltweit, im nationalen wie im internationalen Rahmen, für die Wahrung von Recht und Menschenrecht und für die Einhaltung der internationalen Charta der Menschenrechte, insbesondere auch durch Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsrat in Genf.

Wir sehen als Realistinnen und als Kennerinnen von Recht und Völkerrecht, dass der Einsatz militärischer Gewalt, sofern er nicht der Landesverteidigung dient, grundgesetzwidrig ist.

In der Vergangenheit hat militärische Gewalt nichts, aber auch gar nichts zum Besseren der Menschen erreicht, weder hierzulande, noch in den jeweiligen Einsatzgebieten. Das gilt für den Balkan, das gilt für Afghanistan, das gilt für den Nahen Osten und für afrikanische Staaten. Das gilt überall, wo deutsche Waffen, deutsche Logistik, deutsche Soldaten zum Einsatz kamen.

Wir sind als Lehrerinnen, Politikwissenschaftlerinnen, Juristinnen, Historikerinnen, Sozialarbeiterinnen und Frauen aus weiteren Tägigkeitsbereichen der festen Überzeugung, dass unserer und aller Sicherheit am meisten damit gedient ist, indem wir die reichlichen Ressourcen unseres Landes für den Ausbau der zivilen Infrastruktur einsetzen. Wir treten dafür ein, unser Know How, insbesondere in den Bereichen Konfliktprävention und ziviler Konfliktlösung anderen zur Verfügung zu stellen. Wir treten ein für aktive Flüchtlingshilfe und vor allem dafür, dass durch wirkliche, und zwar zivile Entwicklungszusammenarbeit den Flüchtlingsdramen vor Ort vorgebeugt wird. Der Einsatz von mehr Soldaten und militärischer Logistik ist dagegen kontraproduktiv.

Unsere Frauenorganisation wandte sich bereits Ende der 1940er Jahre erneut mit warnender Stimme an die Öffentlichkeit, damals noch bevor Deutschland wieder remilitarisiert wurde und in das transatlantische Westbündnis einbezogen werden sollte. Heute ist die Situation allerdings zugespitzter. Wir warnen daher auch heute wieder vor der Verdrängung und Verleugnung unserer deutschen Geschichte und wiederholen die eindringlichen Worte unserer Vorgängerinnen:

Soll sich das Vergangene wiederholen? Begann es nicht auch damals mit der Vorbereitung der Wiederaufrüstung? Auch damals sollte der Friede durch „Aufrüstung“ gesichert werden … Soll jetzt auf dem Trümmerfeld, das von Hitlers Rüstungen in Deutschland nachgeblieben ist, von neuem mit Militarismus und Rüstungen experimentiert werden? Schon wieder sind Presse und Rundfunk dabei, die geistigen Voraussetzungen … zu schaffen.“

Wir fordern mit den Stimmen unserer Vorgängerinnen:

Die Jugend (ist) im Geiste der Völkerversöhnung und der Achtung vor jedem Menschen zu erziehen, ihre schöpferischen Instinkte (sind) zu wecken anstelle von Kriegs-und Heldenverehrung.“

Wir fordern also wie 1949 von der deutschen Regierung, insbesondere von Ihnen, Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin, von Ihnen, Herr Steinmeier als Außenminister und von Ihnen, Herr Bundespräsident, den unser Grundgesetz zur Neutralität verpflichtet, mit den Stimmen unserer Gründerinnen „den unmissverständlichen Verzicht auf machtpolitische Ansprüche“.
Wir erwarten von Ihnen „die Zurückweisung jeder Art von Remilitarisierung“. Treten Sie ein dafür, dass von deutschem Boden - 100 Jahre nach Beginn des großen Völkermordens - nur mehr Frieden ausgeht.

(Eine Kopie der historischen Flugschrift wird beigelegt.)

*Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, hervorgegangen aus der Frauenwahlrechtsbewegung ,wurde 1915 während des ersten Weltkriegs aus der Taufe gehoben. Aus ihren Reihen sind später mehrere Frauen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden Jana Adams, Emily Green Balch, Alwa Myrdal, Maread Maguire 
JHV der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) deutscher Zweig zu Berlin am 15. 02. 2014

korrigierte und genehmigte Fassung

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