Darum verdient Assange den Friedensnobelpreis
Der in Großbritannien inhaftierte Wikileaks-Gründer Julian Assange ist von einer Nobelpreisträgerin für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden. Zu Recht!
Insgesamt 220 Kriege, militärische Interventionen und CIA-Operationen haben die USA nach eigenen Angaben in gut zweihundert Jahren bis 2004 gegen ausländische Staaten geführt.[1] Jeder kann schätzen, wieviel Gewaltakte in den letzten 15 Jahren noch hinzugekommen sind, die weiter Tod, Zerstörung und furchtbares Leid über ungezählte unschuldige Menschen gebracht haben. Niemand sonst wie Julian Assange hat durch die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten mit beispiellosem Mut mehr zur Entlarvung der Machenschaften einer gnadenlosen Herrschafts-Elite beigetragen. Daher hat ihn die nordirische Friedensaktivistin Mairead Maguire für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen.
«Die Optimierung einer Killer-Maschine»
Der Australier Julian Assange war 2006 die treibende Kraft zur Gründung der Enthüllungsplattform „WikiLeaks“ (von hawaiisch wiki „schnell“ und englisch leaks „Lecks“, „Löcher“, „undichte Stellen“),
«auf der Dokumente anonym veröffentlicht werden (Whistleblowing), die durch Geheimhaltung als Verschlusssache, Vertraulichkeit, Zensur oder auf sonstige Weise in ihrer Zugänglichkeit beschränkt sind. WikiLeaks setzt dabei ein grundsätzliches öffentliches Interesse an den Informationen voraus.
Das Projekt gibt an, denen zur Seite stehen zu wollen, ´die unethisches Verhalten in ihren eigenen Regierungen und Unternehmen enthüllen wollen`“.[2]
„WikiLeaks hat mehrfach interne Dokumente von US-Armee und –Behörden veröffentlicht, unter anderem zu den Kriegen in Afghanistan und Irak. Assange droht deswegen ein Strafprozess in den USA. Einige Journalisten in den USA haben seine Hinrichtung oder gezielte Tötung durch Militär oder Geheimdienste gefordert.»[3]
Ein Schlüsselerlebnis hatte Assange während seines Physik- und Mathematikstudiums an der Universität Melbourne. Er erfuhr, dass die mathematische Fakultät in einem Vertrag mit der US-Armee stand und Studien durchführte, wie die Funktion von militärisch eingesetzten Truppentransportern und Bulldozern verbessert werden kann. Er verließ daraufhin die Universität aus Protest gegen das, was er „die Optimierung einer Killer-Maschine“ nannte.
«2006 veröffentlichte er den Aufsatz ´Conspiracy as Governance`, in dem er seine politischen Grundüberzeugungen darlegt. Darin bezeichnet er jede autoritäre Governance als ´Verschwörung`, die zum Schaden der Bevölkerung arbeiten würde. Die ´Verteidiger von Wahrheit, Liebe, und Selbstverwirklichung` hätten diese Verschwörungen zu bekämpfen. In Zeiten vor der Alphabetisierung sei dieser Kampf mit Attentaten geführt worden, heute gehe es darum, die Kommunikationsverbindungen zwischen den einzelnen Verschwörern zu stören und sie von ihrem geheimen Informationszufluss aus der Außenwelt abzuschneiden.»[4]
Seit Juni 2012 saß Julian Assange in der Botschaft Ecuadors in London fest, wo er wegen eines schwedischen Haftbefehls Asyl gefunden hatte. Er konnte sie nicht verlassen, da er dann sofort wegen eines inzwischen internationalen Haftbefehls festgenommen worden wäre und seine Auslieferung in die USA befürchten musste.
Nominierung durch eine Nobelpreisträgerin
Mairead Corrigan-Maguire, geb. 27. Januar 1944 in Belfast, Nordirland, arbeitete als Sekretärin und engagierte sich seit ihrer Jugend aus tief christlichen Impulsen privat in der katholischen Laienorganisation Legio Mariae, die sich vor allem für Jugend- und Randgruppen einsetzt. Sie war Mitgründerin eines Kindergartens, gründete eine Einrichtung, die behinderten Kindern des Stadtviertels Spiel- und Erholungsmöglichkeiten bietet und arbeitete in der Gefangenenbetreuung.
Ihre weiteren Aktivitäten wurden von einem Ereignis im Nordirlandkonflikt zwischen den englisch-und schottisch-stämmigen Protestanten und den überwiegend irisch-nationalistischen Katholiken bestimmt, das sie auch persönlich hart traf.
Am 10. August 1976 erschossen in Belfast Soldaten der britischen Armee einen mit seinem Auto fliehenden jungen IRA-Terroristen. Das führerlose Auto erfasste Maireads in der Nähe gehende Schwester Anne mit ihren vier Kindern. Drei der Kinder starben sofort oder wurden tödlich, die Mutter schwer verletzt. Mairead Corrigan, die gerade auf dem Rückweg aus ihrem Urlaub war, lehnte es vor den Medien ab, Schuldige zu benennen und appellierte an ein Ende der Gewaltspirale.
Auch die Augenzeugin des Unfalls, Betty Williams, richtete im Fernsehen einen spontanen Aufruf zu Frieden und Versöhnung an die Menschen in Nordirland. Tage später trafen sie und Mairead Corrigan zusammen, und beide organisierten eine Demonstration am 14. August 1976, an der rund 10.000 Männer und Frauen, Katholiken und Protestanten, teilnahmen und gegen Gewalt protestierten. Kurz darauf gründeten beide mit dem Journalisten Ciaran McKeown die Community of Peace People, die sich zur einflussreichsten Friedensbewegung Nordirlands entwickelte.
«Es folgte die so genannte Peace Rallye, in der überall in Nordirland Woche für Woche Friedensdemonstrationen stattfanden. Insgesamt konnten bis zu 500.000 Menschen zur Teilnahme motiviert werden, dies waren erheblich mehr als bei allen nordirischen Friedensbewegungen bis dahin. Die Hauptaktivisten der Community of Peace People, zu der die Woman for peace geworden war, reisten in Bussen von Stadt zu Stadt. Als Höhepunkt fand im Oktober 1976 eine Aktion auf dem Trafalgar Square in London statt, an der auch die US-amerikanische Sängerin und Friedensaktivistin Joan Baez teilnahm.… Betty Williams und Mairead Corrigan reisten durch Europa, Australien und die USA, um für ihre Ziele zu demonstrieren.»[5]
Im Oktober 1977 wurde Mairead Corrigan-Maguire und Betty Williams der Friedensnobelpreis rückwirkend für das Jahr 1976, in dem keiner vergeben worden war, zuerkannt. Ebenfalls 1976 haben beide auch die Carl-von-Ossietzky-Medaille erhalten, „eine undotierte Auszeichnung, die vom Berliner Verein Internationale Liga für Menschenrechte alljährlich verliehen wird und die übrigens im Jahr 2014 der NSA-Wistleblower Edward Snowden zusammen mit Laura Poitras und Glenn Greenwald erhalten hat.“[6]
Das Schreiben an das Nobelpreis-Komitee
Nun hat Mairead Maguire in einem Schreiben an das Nobelkreis-Komitee Julian Assange für den Friedensnobelpreis 2019 nominiert, in dem sie schreibt:
«Julian Assange und seine Kollegen von Wikileaks haben bei zahlreichen Gelegenheiten gezeigt, dass sie einer der letzten Grundpfeiler wahrer Demokratie sind. Sie arbeiten für unsere Freiheit und unsere Redefreiheit. Ihr Einsatz für einen echten Frieden, indem sie die Handlungen unserer Regierungen im In- und Ausland öffentlich bekannt machen, hat uns deren Gräueltaten, die im Namen der so genannten Demokratie in der ganzen Welt begangen wurden, enthüllt. Dies beinhaltete Bildaufnahmen von Akten von Unmenschlichkeit, die von der NATO/Militär begangen wurden, die Veröffentlichung vonE-Mail-Korrespondenz, die die Planung von Regimewechseln in den Ländern des Nahen Ostens offenlegte, sowie die Offenlegung von persönlicher Beteiligung unserer gewählten Funktionäre an der Täuschung der Öffentlichkeit. Diese Enthüllungen seitens Wikileaks sind ein großer Schritt in unserem weltweiten Einsatz für Abrüstung und Gewaltlosigkeit.
Julian Assange hatte aus Sorge vor einer Auslieferung an die USA, um dort wegen Verrats vor Gericht gestellt zu werden, 2012 in der Botschaft von Ecuador Asyl beantragt. Selbstlos setzt er seine Arbeit von dort aus fort, was die Gefahr einer Verfolgung durch die amerikanische Regierung noch zusätzlich verstärkt. In den letzten Monaten haben die USA verstärkt Druck auf die ecuadorianische Regierung ausgeübt, damit diese ihm seine letzten noch verbliebenen Freiheiten entzieht. Ihm wird es nun verwehrt, Besucher, Telefonate und andere elektronische Mitteilungen zu empfangen. Damit wurden ihm seine grundlegenden Menschenrechte entzogen. Dies hat Julians seelische und körperliche Gesundheit stark angegriffen. Es ist unsere Pflicht als Bürger, Julians Menschenrechte und Meinungsfreiheit zu schützen, ebenso wie er auf globaler Ebene für unsere gekämpft hat.
Es ist meine große Sorge, dass Julian, ein unschuldiger Mensch, an die USA ausgeliefert wird und dort unrechtmäßig inhaftiert wird. Wir haben dies mit Chelsea (Bradley) Manning gesehen, der angeblich Wikileaks mit sensiblen Informationen aus den Nahostkriegen der NATO/USA versorgte und anschließend mehrere Jahre in Einzelhaft in einem amerikanischen Gefängnis saß. Wenn es den USA gelingt, Julian Assange ausgeliefert zu bekommen und ihn zu verurteilen, wird dies Journalisten und Whistleblower auf der ganzen Welt zum Schweigen bringen, aus Angst vor den schrecklichen Folgen.
Julian Assange erfüllt alle Kriterien für den Friedensnobelpreis. Durch seine Veröffentlichung von geheimen Informationen stehen wir den Gräueltaten der Kriege nicht mehr unwissend gegenüber, wir sind nicht länger blind gegenüber den Zusammenhängen zwischen dem Großkapital, der Ausbeutung von Ressourcen und der Verwüstung durch Kriege.
Da seine Menschenrechte und Freiheiten bedroht sind, würde der Friedensnobelpreis Julian einen größeren Schutz vor staatlicher Gewalt bieten.
In den letzten Jahren gab es Kontroversen wegen des Friedensnobelpreises bezüglich einiger derjenigen, denen er verliehen wurde. Leider, so scheint es mir, ist der Friedensnobelpreis von seinen ursprünglichen Absichten und Bedeutungen abgerückt. Alfred Nobel wollte, dass durch den Preis Einzelpersonen, die von Regierungsgewalten bedroht sind, in ihrem Kampf für Gewaltlosigkeit und Frieden unterstützt und geschützt werden, indem die Preisvergabe auf ihre prekäre Situation aufmerksam macht. Durch die Verleihung des Friedensnobelpreises an Julian Assange erhält er und andere, die in ähnlicher Lage sind wie er, den Schutz, den sie wirklich verdienen.
Ich hoffe, dass wir so den wahren Sinn des Friedensnobelpreises zurückgewinnen können.
Ich fordere auch alle Menschen dazu auf, die Situation von Julian bekannt zu machen und ihn in seinem Kampf für grundlegende Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Frieden zu unterstützen.“[7]
Die Kampagne zur Verteidigung von Assange (Defend Assange Campaign) bestätigte am Montag, 18.2.2019, per Twitter, dass Assange für den diesjährigen Friedensnobelpreis nominiert sei, und bildete ihn neben einer Nobelpreis-Münze ab:
«Im Jahr 2011 hatte der norwegische Parlamentsabgeordnete Snorre Valen schon einmal den WikiLeaks-Gründer für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, kurz nachdem WikiLeaks die vom Whisteblower Bradley Edward Manning – heute Chelsea Manning – weitergegebenen Informationen veröffentlicht hatte. Snorre erklärte, dass die Veröffentlichung von Tausenden von geheimen Regierungsdokumenten dazu beigetragen hat, Menschenrechte, Demokratie und Meinungsfreiheit zu fördern.“[8]
Ob das Nobelpreis- Komitee, das mit der grotesken Verleihung des Friedensnobelpreises an die Angriffskrieges Henry Kissinger und Barak Obama schon seine Verbeugung vor dem Weltimperialisten USA gemacht hat, nun deren größtem Gegner Julian Assange den Friedensnobelpreis verleihen wird, ist mehr als fraglich und käme einem Wunder gleich. Die Norweger haben ja mit insgesamt 303 weiteren Kandidaten genug Möglichkeiten, auszuweichen.
Anmerkungen
[1] Vgl. GEOLITICO „Ukraine ist Teil der US-Strategie“
[3] Wikipedia – Julian Assange
[4] a.a.O.
[5] Wikipedia – Mairead Maguire
[6] a.a.O.
[8] worldbeyondwar.org ; deutsche Fassung mit freundlicher Genehmigung aus: „Kernpunkte“. Zeitung für Mitteleuropa, Geisteswissenschaft und Zeitgeschehen, 2/2019
https://www.geolitico.de/2019/04/18/darum-verdient-assange-den-friedensnobelpreis/
https://www.geolitico.de/2019/04/18/darum-verdient-assange-den-friedensnobelpreis/
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